Von Reinhold Würth
Für die Europa-Skepsis der Briten hat Reinhold Würth angesichts ihrer Geschichte und Geografie noch ein gewisses Verständnis. Für deutsche Euro-Gegner gilt das nicht. In diesem Beitrag für United Europe macht der Vorsitzende des Stiftungsaufsichtsrats der Würth-Gruppe deutlich, dass er den Euro als großen Erfolg ansieht. Deutschland profitiere nicht nur wirtschaftlich von der gemeinsamen Währung. Seine Bürger lebten in Frieden und Freiheit. „Gibt es ein köstlicheres Gut?“, fragt Würth.
Aus seiner Firmengruppe mit mittlerweile 66.000 Beschäftigten hat sich der heute 78jährige Würth schon lange zurückgezogen. Den Vorsitz des Beirats übergab er 2006 seiner Tochter Bettina. Sein großer Wunsch wäre es, auch Europa so wohlbestellt in die Hände der nächsten Generation zu geben. „Leicht ist zu erkennen, dass ich ein geradezu leidenschaftlicher Europäer bin“, schreibt Reinhold Würth.
Verfolgt man die Geschichte der Europäischen Union seit den ersten zaghaften Versuchen zur europäischen Einigung nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Gründung der Montanunion 1951 bis heute Ende 2013, dann sind in diesen 62 Jahren insgesamt grandiose Fortschritte erzielt worden. Für die Majorität der europäischen Bürger sind die Grenzkontrollen abgeschafft; von Helsinki bis Lissabon, von Athen bis Dublin zahlt man mit der gleichen Währung; noch viel wichtiger aber ist die Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtsraums. Ein mir bekannter sowohl in USA als auch in Deutschland zugelassener Rechtsanwalt erklärte mir kürzlich: „Im Rechtswesen hat die Europäische Union heute schon das Rechtssystem der Vereinigten Staaten von Amerika bei weitem überholt.“
Verständnis für die englischen Freunde
Nicht zu unterschätzen ist auch die sich daraus ergebende latente eher im Unterbewusstsein ablaufende Meinungsveränderung bei den Bürgern der Europäischen Union. Zwar wird in allen Mitgliedstaaten gegen die EU und ihre übertriebene Brüsseler Bürokratie gewettert, die übergroße Mehrheit der Bürger will aber keinesfalls die EU abgeschafft wissen. Diese ambivalente „Hass-Liebe“ lässt sich durchaus vergleichen mit dem Gemütszustand vieler Bürger der ehemaligen DDR – mit wachsendem Zeitabstand wird in der Erinnerung das frühere Leben in der DDR eher vergoldet, ich kenne aber niemand, der sich die alte DDR zurückwünscht.
Analysiert man nun, wo die Bremser gegen eine Weiterentwicklung der Europäischen Union sitzen, dann sind es zwei Hauptnester. Zum einen natürlich unsere Freunde in Großbritannien und zum anderen die Euro-Gegner. Die Engländer haben sich über Jahrhunderte mit ihrem Empire auch mental und ideologisch auf der ganzen Welt bewegt und sind aufgrund der Insellage geborene Seefahrer. Insofern muss man unseren englischen Freunden mit Verständnis entgegenkommen, dass die Integration in eine funktionierende Europäische Union mental und ideologisch vielleicht 10 Mal schwieriger ist, als für alle Zentraleuropäer. Sollte das für 2017 geplante Referendum in England ergeben, dass die Mehrheit der Bürger gegen eine weitere Mitgliedschaft in der Europäischen Union votiert, dann sollten wir keinerlei Druck ausüben und in Frieden und in Freundschaft mit einem unabhängigen isolierten Großbritannien weiterleben. Damit wäre dann auch, wenn man ehrlich ist, eine der wichtigsten Bremserquellen zur weiteren EU-Integration beseitigt.
Der deutsche Steuerzahler haftet
Die anderen Bremser sind ja die Euro-Gegner. Dabei geht es wiederum in Deutschland um die Frage einer Rückkehr zur D-Mark. Beobachtet man den Euro als Währung in der Entwicklung seit dessen Einführung 2002 bis heute, dann hat der Euro mehr als seine Feuertaufe bestanden: Gerne hätte man es in den USA gesehen, wenn der Euro und damit die Konkurrenz dieser Währung als Reserve Currency neben dem Dollar verschwunden wäre.
Dies ist nicht gelungen. Die hinter der Eurozone stehende Wirtschaftskraft mit 318 Millionen Bürgern ist ein starkes Fundament für die Stabilität unserer Währung – vernünftige Währungspolitik der beteiligten Regierungen vorausgesetzt.
Besonders stark ist in Deutschland das Argument, dass wir für die Schulden der Südländer Griechenland, Italien, Spanien und Portugal als Steuerzahler haften müssen und man deshalb in Deutschland die DM wieder einführen solle, ein Hauptziel der vor kurzem gegründeten Alternative für Deutschland (AfD).
Deutschland profitiert vom Euro
Ob wir wollen oder nicht, Deutschland ist im Rahmen der Rettungsschirme ESM und EFSF bei realistischer Betrachtung mitverhaftet für die Schulden der Südländer. Wenn wir auch nur eine Funken europäischer Solidarität ernst nehmen, ist dies auch nicht weiter schlimm: Seit Jahrzehnten haben wir innerhalb der Bundesrepublik Deutschland den so genannten Länderfinanzausgleich. Traditionell zahlen Baden-Württemberg, Bayern und Hessen jährlich Milliardensummen in diesen Finanzausgleich, um innerhalb Deutschlands einigermaßen gleiche Lebensbedingungen herstellen zu können. Wieso sollten wir dieses Prinzip nicht auch innerhalb der Europäischen Union anwenden? Gerade Deutschland profitiert vielfach: Würden wir den Euro aufgeben, würde eine neue DM innerhalb kurzer Zeit gegenüber allen anderen Währungen der Welt aufgewertet, dass die deutsche Exportindustrie ihre Wettbewerbsfähigkeit sehr schnell verlieren und bitter leiden würde. Insofern profitieren wir heute vom Euro ganz enorm.
Zum anderen ist der „Return on Investment“, dass wir in Frieden, in Freiheit leben können – gibt es für unsere Bürger ein köstlicheres Gut? Wohl kaum
Leicht ist zu erkennen, dass ich geradezu ein leidenschaftlicher Europäer bin und gerne sähe, wenn die Nationalstaaten zurückgedrängt und gleichzeitig die darunterliegenden Regionen gestärkt würden. Die Bürger brauchen Heimat und Heimstatt, Vertrautheit und Geborgenheit, die sie genauso als Südtiroler oder Bayern, Flamen oder Basken finden, vielmehr denn als Deutsche, Italiener, Belgier oder Spanier.
Fazit: Ein Vivat Europa!
Die Würth-Gruppe ist Firmenmitglied von United Europe.