Im März 2017 feierte die Europäische Union den 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge. Welch großartige Errungenschaft! Die europäische Einigung hat es drei Generationen an Europäern möglich gemacht, in Frieden und Wohlstand zusammen zu leben.
Dennoch ist es ein Jahrestag der von Krisen und Resignation überschattet ist. Nach dem Brexit-Referendum vom Juni 2016 wird Großbritannien nun auch offiziell seinen Austritt aus der Europäischen Union erklären. Im Süden Europas sind die Folgen der Finanzkrise noch immer nicht überwunden. 2017 finden zudem in wichtigen europäischen Ländern Wahlen statt, bei denen populistische Bewegungen mit nationalistischen und fremdenfeindlichen Parolen die liberale Ordnung in Frage stellen. Auch von außen wächst der Druck auf Europa durch die Politik des neuen US-Präsidenten und durch autoritär regierte Nachbarländer wie die Türkei und Russland.
In dieser Situation erweist sich die politische Führung in Europa bisher als mutlos. Statt für Reformen zu werben, konzentriert sich die EU auf Schadensbegrenzung. Die Resignation der politischen Elite steht in starkem Kontrast zu der Haltung vieler junger Europäer, die Europa auf gar keinen Fall aufgeben wollen. Fast überall in der EU sind die Jüngeren deutlich positiver gegenüber der europäischen Einigung eingestellt als die ältere Generation.
Vor diesem Hintergrund beschlossen United Europe und Villa Vigoni im Herbst 2016, eine Gruppe herausragender junger Wissenschaftlern und Berufstätiger aus Europa einzuladen, eine gemeinsame Vision für die Erneuerung des europäischen Projekts zu erarbeiten. Das Ergebnis ist das ‘Römische Manifest’, das jetzt im Rahmen der Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge veröffentlicht wurde.
Einige der Autoren stammen aus Italien und Deutschland, andere aus den Niederlanden, Österreich, Kroatien, Griechenland oder Großbritannien. Zur Hälfte sind es Wissenschaftler aus europäischen Fakultäten für Geschichte, Philosophie oder Recht; zur anderen Hälfte Unternehmer, Ärzte, Unternehmensberater und Public Affairs Spezialisten.
Anfang 2017 kamen die Autoren in drei separaten Arbeitsgruppen zusammen:
Arbeitsgruppe 1 traf sich in Berlin, um über eine neues Narrativ für Europa zu beraten. Seit den Anfängen war es das wichtigste Ziel des vereinten Europas, Frieden und Wohlstand zu sichern. Natürlih bleibt das im Grundsatz richtig. Es bedarf aber einer neuen Interpretation, die auch für jüngere Europäer überzeugend ist. Nach lebhaften Diskussionen entschied sich die Gruppe dafür, die europäische Einigung mit den inviduellen Rechten zu begründen, die den Bürgern Europas zustehen. Schirmherr dieser Arbeitsgruppe war der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, der sich schon lange mit der Frage befasst, wie man Europa heute begründen kann.
Arbeitsgruppe 2 befasste sich mit den Institutionen und Entscheidungsverfahren in Europa, die in ihrer jetzigen Verfassung nicht nur ineffektiv, sondern auch intransparent sind. Es schadet der Legitimität der europäischen Institutionen, wenn ihre Bürger nicht verstehen, wie sie funktionieren. Erschwerend kommt hinzu, dass die nationalen Regierungen unpopuläre Entscheidungen gerne der EU zuschreiben, und zwar auch dann, wenn sie selbst an deren Zustandekommen beteiligt waren. Bei dem Arbeitstreffen in Bologna entschieden sich die Autoren für einen radikalen Neuentwurf, nämlich die Gründung einer Europäischen Föderalen Union, der eine klare Gewaltenteilung zugrunde liegen soll. Professor Filippo Taddei, Direktor des Bologna Instituts für Politikforschung der Johns Hopkins Universität und Chefökonom der italienischen Demokratischen Partei, war Schirmherr dieser Gruppe.
Arbeitsgruppe 3 traf sich in Brüssel um das Thema der europäischen Identität zu diskutieren. In ganz Europa haben die Menschen viele Wurzeln gemeinsam: in Geschichte, Religion, Kultur, Politik sowie Gesellschaft und Werten. Auch die geografische Nähe begründet, dass die Europäer eine gemeinsame Bestimmung haben. Das von der Gruppe gewählte Bild zur Verdeutlichung dieser Komplexität ist das Mosaik: ein Bild, das gerade durch die Vielfalt seiner Einzelteile zu einem schönen und farbenfrohen Ganzen wird. Es ist insbesondere die junge Generation die durch die europäische Integration geprägt ist; dies ist der Grund, weshalb sie nun besonders gefordert ist, sich für die Erneuerung des Projekts einzusetzen. Sylvie Goulard, französische Europa-Abgeordnete und liberale Politikerin, war Schirmherrin dieser Arbeitsgruppe.
Genau einen Monat vor der Veröffentlichung des Römischen Manifests trafen sich die drei Arbeitsgruppen in der Villa Vigoni am Comer See. Nach einem intensiven Arbeitswochenende, bei dem jeder Satz unter die Lupe genommen wurde, war das Manifest fertig. Das Ergebnis ist ein erstaunlich kurzer Text, der in klarer und prägnanter Sprache eine konstruktive und ehrgeizige Vision für Europa aufzeigt. Im März 2017 wurde das Manifest schließlich vor zahlreichen Ehrengästen in der Deutschen Botschaft in Rom vorgestellt.
Unterstützer des Manifests können das Dokument hier online unterzeichnen. In den kommenden Monaten wird das Manifest mit der Unterstützung von Kooperationspartnern in etlichen europäischen Ländern – Universitäten, Think Tanks und Stiftungen – auch einem breiteren Publikum vorgestellt. Für Twitter Updates folgen Sie bitte #RomeManifesto.