Bei der zweiten European Economic Conference der F.A.Z. in der Berliner ESMT und mit United Europe als Mitiniator stand am 14. und 15. Juni die wirtschaftliche Transformation Europas im Zentrum. Über zwei Tage diskutierten hochrangige Referenten, wie der klimagerechte Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft trotz Inflation gestaltet werden kann, ein drohender Wohlstandverslust abgemildert wird und welche Werkzeuge gegen die Abhängigkeit von den globalen Lieferketten helfen.
Gäste waren u. a. Lars Klingbeil, Parteivorsitzender, SPD, MdB, Dr. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Dr. Magnus Brunner, Finanzminister der Republik Österreich, Dr. Daniel Risch, Regierungschef, Fürstentum Liechtenstein und Günther H. Oettinger, Präsident, United Europe.
Unter dem folgenden Link können Sie sich alle Redebeiträge und Paneldiskussionen ansehen, anbei auch eine kurze Zusammenfassung einzelner Beiträge oder Paneldiskussionen.
Lars Klingbeil, Parteivorsitzender der SPD, MdB: Politik in Zeiten der Zeitenwende
Der Umbau zu einer klimaneutralen und digitalen Gesellschaft ist das wichtigste gesellschaftliche politische Projekt der kommenden Jahre.
Wir müssen wahrnehmen, dass die Welt sich in Umbrüchen befindet, dass neue Machtzentren entstehen und die regelbasierte Ordnung so wie wir sie kennen unter Druck gerät. Einer der wichtigsten Akteure, wenn die Transformation gelingen soll, ist ein starkes Europa.
Gleichwohl bleibt, die nächsten 10 bis 15 Jahre werden sehr ruckelig werden, die Transformation wird uns viel abverlangen. Der Illusion, dass Europa hier den Takt vorgibt, dürfen wir uns nicht hingeben. Es geht um resiliente Lieferketten, Ressourcen und neue Freihandelszonen. Wir müssen uns in Europa bewusst machten, dass diese Transformation eine politische Gestaltungaufgabe ist.
In China wird eine harte, staatliche gesteuerte Industriepolitik an den Tag gelegt, auch in den USA sehen wir das mit dem „Inflation Reduction Act“, das massiv von staatlicher Seite in die Wirtschaftspolitik eingegriffen wird. Europa hat lange die globale Wirtschaftspolitik geprägt, jetzt brauchen wir ein neues Zusammenspiel von Staat und Markt, eine Politik entlang der großen Linien Dekarbonisierung, Digitalisierung, Resilienz. Neue Ziele müssen auf der europäischen Bühne verabredet werden. Kein „Europe first“, aber ein „Europe fast“, darum muss es gehen. Wir müssen Planungsverfahren beschleunigen, auch müssen wir klug, aber nicht alles auf der europäischen Ebene regulieren. Der Binnenmarkt ist zu fragmentiert, wir brauchen die Vertiefung des Binnenmarkts, die Verwirklichung der Digital-Union, die Vertiefung des Kapitalmarktes, die Vollendung der Bankenunion, die europäische Energie-Union, sowie europäische Netz- und Speicherkapazitäten. Wir brauchen neue Freihandelsabkommen und müssen mehr in strategische Partnerschaften investieren.
Sehr Sie hier die vollständige Rede.
Dr. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz: Das politische Gespräch mit Gerald Braunberger, Herausgeber Frankfurter Allgemeine Zeitung
Eine handfeste infrastrukturelle europäische Solidarität ist die Bedingung dafür, dass der europäische Kontinent wettbewerbs- und wohlstandsfähig bleibt. Hier spielt die europäische Kommission eine maßgebliche Rolle – unter Druck funktioniert Europa. Bei der grünen Transformation zieht Europa an einem Strang, auch wenn es keine homogene Einheit ist, siehe „Green Deal“, die „Fit for 55“-Verhandlungen, ETS 1
und ETS 2.
Geht es um die europäische Wettbewerbsfähigkeit, ist der amerikanische „Inflation Reduction Act“ eine Kampfansage. Amerika, aber auch andere Staaten investieren trotz Staatsverschuldung, das unterscheidet den globalen Raum von Europa.
Außereuropäische Staaten wie die USA oder Südkorea investieren mehr, die wollen die Solar- und Wasserstoffenergie. Wenn wir hier nicht mithalten, werden woanders Fakten geschaffen. Eigentlich ist es gut, dass Europa auf eine Haushaltsdisziplin besteht, das ist die reine Lehre der Marktwirtschaft. Das Problem ist, wenn die anderen robust spielen, und der Schiedsrichter beim Fußball oder Handball keine gelben oder roten Karten verteilt, verlierst du das Spiel.
Nichtsdestotrotz, auch wenn die Stimmung ein bisschen mies ist, haben die letzten Jahre gezeigt, was Europa zu leisten vermag. Wenn Europa die Energiekrise abwenden kann, können wir auch die Klimakrise meistern. Wir können die Ziele einhalten. Wir sind noch nicht da, aber es ist möglich. Eine positive Grundstimmung ist der einzige Weg, gegen die innere Gespaltenheit anzugehen. Sonst gewinnen die Stimmen, die keine Lösung wollen und dann gibt es auch keine Lösung.
Sehen Sie hier das vollständige Gespräch.
Stärkung der europäischen Energieversorgung – Wettbewerbsfähigkeit im Fokus
Unter der Leitung von Sven Astheimer, Leiter des Unternehmensressorts, Frankfurter Allgemeine Zeitung, diskutierten Prof. Dr. Lion Hirth, Professor für Energiepolitik, Hertie School, Dr. Markus Krebber, Vorstandsvorsitzender, RWE AG und Christian Kullmann, Vorstandsvorsitzender, Evonik Industries AG.
Sven Astheimer: Wie wettbewerbsfähig ist Europa?
Christian Kullmann: Das ist eine rhetorische Frage. Europa ist im Augenblick nicht wettbewerbsfähig. Ich mache es an ein zwei Beispielen fest. Wir machen 30 % unseres Umsatzes in den USA. Hier wird mir für eine Kilowattstunde 1 bis 2 Cent angeboten. Jetzt reden wir in Deutschland davon, ob wir einen Industriestrompreis einführen. Die Rede ist von 6 Cent, dabei wird bewusst nicht erwähnt, dass noch Steuern und Abgaben obendrauf kommen. Hier kann es nicht die Frage sein, ob wir wettbewerbsfähig sind, hier müssen wir erheblich etwas verändern.
Sven Astheimer: Welches Versprechen können Sie uns für die Zukunft geben, damit wir wettbewerbsfähig sind?
Dr. Markus Krebber: Über welche Art von Energieversorgungpolitik reden wir? Müssen wir als Europa dauerhaft im Wettbewerb mit nicht grüner Energieversorgungpolitik stehen? Dann werden wir nicht wettbewerbsfähig sein. Wenn wir den Klimaschutz nicht als globalen Konsens ansehen, bei dem alle Regionen mitmachen, dann haben wie generell ein Problem.
Sven Astheimer: Ist die Bundesregierung auf dem richtigen Weg mit ihrer Energie- und Industriepolitik?
Prof. Dr. Lion Hirth: Der Energiestrompreis ist hier der Dreh- und Angelpunkt. Aktuell hieße es, den Strom mit Steuergeldern zu subventionieren, das Geld fehlt dann woanders. Das ist eine Frage, die politisch entschieden werden muss. Wie soll der Strompreis aussehen? Eine energieintensive Industrie wird sich transformieren müssen, also dann Strom verbrauchen, wenn Wind und Sonne zur Verfügung stehen. Das geht aber nicht, wenn energieintensive Firmen jederzeit Strom brauchen trotz schwankender Preise. Den Fehler, den wir nicht machen sollten, ist durch einen Industriestrompreis den Unternehmen vorzugaukeln, der Strompreis bleibt bei 4, 5 oder 6 Cent und damit weiterhin die alte Denke der Grundlast der dauerhaft betriebenen Anlagen zu zementieren. Wenn wir Industrieförderung machen wollen, ist das der Einstieg in die Industrieflexibilität, die in jedem Sektor ein Stück weit anders aussehen muss und die nicht umsonst zu haben ist.
Sehen Sie hier die vollständige Diskussion.
Günther H. Oettinger, Präsident von United Europe: Frieden, Werte, wirtschaftliche Stärke – eine Agenda 2030 für Deutschland und Europa
Die Europawahl und die USA-Wahl: Das nächste Jahr ist ein Superwahljahr. Wo wir in einem Jahr stehen werden, wird für das gesamte folgende Jahrzehnt wegweisend sein.
Wir erleben derzeit in Europa verschiedene Trends. Einerseits bleiben oder werden die Konservativen stärker – wie in Griechenland und wahrscheinlich in Spanien. Möglicherweise haben wir gar Populisten auf dem Vormarsch. Werden wir die europäische Wahl ernst nehmen, indem wir die demokratischen Parteien stärken und nicht demonstrativ nach rechts oder links Protest verkünden? Europa fällt zurück.
In Deutschland werden Rezession und Stagnation das ganze Jahr über anhalten, vermute ich. Die Welt wächst um 3 oder 4 Prozent, Europa fällt zurück. Es geht um Wettbewerbsfähigkeit: Wenn wir nicht wirtschaftlich dort stark bleiben, wo wir noch stark sind und nicht dort stark werden, wo wir zurückliegen, wird Europas Autorität reduziert. Wir brauchen auch für die Geopolitik Vorsprung durch Technologie in allen Bereichen: Rüstung, Mobilität, Kommunikation, Engineering. Ich sehe zu wenig gemeinsame europäische Kraftanstrengung, die erhalten und wiederherstellen will. In Deutschland sehe ich es am allerwenigsten. Der Länderindex der ZEW im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen hat gezeigt, dass Deutschland von 21 demokratischen Industriestaaten von Platz 14 auf Platz 18 zurückgefallen ist. Das ist nicht Champions League.
Ich vermisse eine Erkenntnis, dass Innovation notwendig ist, wenn man Wohlstand halten will.
Im November nächsten Jahres findet die die US-Wahl statt. Dass Trump zurückkehrt, ist nicht ganz unwahrscheinlich. Hoffentlich werden uns die Wähler davor behüten. Sind wir weltpolitikfähig? Auf der Weltbühne mit einer Stimme sprechfähig? Wir sind längst noch nicht so weit, aber die Uhr tickt. Sollte Trump gewählt werden, gilt „America First“ und nicht mehr die transatlantische Partnerschaft, weder in Sachen NATO, in Weltökonomie und regelbasierter Ordnung. Dass ein Land sich monatelang um ein wichtiges Teilgesetz in Sachen Wärmeenergie und einen Staatssekretär kümmert, genügt meinen Erwartungen an das Potenzial einer deutschen Debatte über die Zukunft Europas in keiner Form. Wir kommen immer ein bisschen zu spät auf den Trichter. Dass Handelsabkommen essenziell sind, sollte endlich auch in Deutschland eine Erkenntnis sein. Hätten wir TTIP wegen der Chlorhühnchen nicht verhindert, wäre der „Inflation Reduction Act“ kein Nachteil für die deutsche Industrie. Mercosur, der am stärksten wachsende Markt nach Asien wurde in das Eisfach gelegt. RCEP ist die größte Herausforderung. Wenn RCEP zum Maßstab wird, dann ist Europa außen vor.
Wir müssen Erkenntnisse schneller gewinnen und Folgerungen deutlicher ziehen. Europa ist träge, und Deutschland ist besonders träge und zu langsam unterwegs.
Im nächsten Jahr wird sich entscheiden, wohin die politische Richtung Europas geht. Drei Trends sind vorstellbar. Erstens könnte es zu einer linksliberalen, grünen und sozialistischen Mehrheit kommen. Der zweite Trend deutet auf eine erneute große Arbeitskoalition hin. Ein dritter Trend könnte sein, dass es zu einer konservativen Entwicklung kommt. Klar ist, eine konservative Entwicklung kommt kaum ohne Populisten in Mehrheitsfunktion. Die Frage bleibt: Wo ist Populismus noch akzeptabel und wo ist Radikalismus, eine antieuropäische Einstellung, Bösartigkeit oder gar Missachtung aller Werte oder die Zerstörung Europas das wahre Ziel? Stichwort AFD und Le Pen.
Ich kann uns alle nur bitten, die Menschen für die Europawahl zu interessieren. Wenn wir den Wohlstand nicht erhalten und steigern, werden die Rechte und die Linke obsiegen.
Sehen Sie hier die vollständige Rede.
Panel – Beyond the Boys‘ Club: Warum Vielfalt in der Führungsebene Europas Wettbewerbsvorteile verschafft und wie wir dorthin gelangen
Unter der Leitung von Johannes Pennekamp, Ressortleiter, Frankfurter Allgemeine Zeitung, diskutierten Regine Büttner, Global Board Member Human Resources für DHL Express (bis 2022), Aufsichtsrätin und Gründerin der FEM Factory, Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin, BDI e. V., Elke Heitmüller, Head of Group Diversity Management, Volkswagen AG und Dr. Miriam von Loewenfeld, Programmleitung des Studiengangs Female Leadership an der Hochschule für angewandtes Management und Gründerin der FEM Factory
Johannes Pennekamp: Wie kann Vielfalt in Unternehmen gelingen, wie kann sich Wirtschaft stärken? Jedes zweite Dax-Vorstandsmitglied ist mittlerweile weiblich, doch auf 100 Frauen kommen immer noch 700 Männer.
Tanja Gönner: Die Frage von Eingriffen in die Regularien ist für die deutsche Wirtschaft nicht ganz leicht. Wenn ich auf die Breite schaue, gibt es in Unternehmen zu wenig Frauen in Führungspositionen. Hier gibt es Zielkonflikte, für jede Frau muss ein Mann zurückstecken. Auch für die Frauen ist es unangenehm, wollen die wenigsten auf die Quote reduziert werden. Hier muss über die richtige Balance gesprochen werden.
Elke Heitmüller: Wir haben einen Frauenanteil, der um die 20 % liegt. In den technischen Berufen ist noch ein geringerer Teil an Frauen vorhanden. Das ändert sich langsam. In den letzten Jahren hat sich durch Mentoring-Programme ein Frauennetzwerk mit 800 Frauen gebildet, von denen die Hälfte weiter Karriere machen möchten. Trotzdem lege ich Wert auf Vielfalt. In Unternehmen brauchen wir sowohl den männlichen als auch den weiblichen Blick. Zur Vielfalt brauche ich die unterschiedlichen Perspektiven. Wir brauchen Parität in Auswahlgremien für Führungskräfte. Frauen und Männer schauen auf unterschiedliche Dinge und nur im Zusammenlegen dieser unterschiedlichen Dinge bekomme ich das Komplettbild. Das ist kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander, das ein Gesamtbild ergibt.
Regine Büttner: Diversity hat noch nicht die Priorität, die es haben sollte. Wir hängen in Europa und weltweit mit der Infrastruktur für Frauen zurück. Hier müssen wir Frauen befähigen, aufsteigen zu können und zu wollen. Frauen kehren auf den Weg ins Topmanagement aus unterschiedlichen Gründen den Unternehmen den Rücken.
Dr. Miriam von Loewenfeld: Wir brauchen ein Frauennetzwerk und eine funktionierende Infrastruktur. Das betrifft insbesondere die Plätze in Kitas, es fehlen 400.000 Kindergartenplätze, aufgrund des Fachkräftemangels ist diese Zahl in Zukunft steigend.
Sehen Sie die vollständige Diskussion hier.
Die junge Wirtschaft als Zukunftsantrieb: Laura Jorde, Bundesgeschäftsführerin, Wirtschaftsjunioren Deutschland e. V.
Zwei von drei jungen Führungskräften sind pessimistisch, wenn sie an die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland denken. Zu den größten Sorgen zählen Bürokratie, Fachkräftemangel und die Arbeitskosten. Ich war bestürzt ob der Zahlen. Warum? Weil wir trotz der Krisen, trotz Corona, Krieg und Energiekrise immer positiv in die Zukunft geblickt haben. Wir haben immer daran geglaubt, dass wir das schaffen können. Was ist passiert? Bei den ganz dicken Brettern hat sich nichts getan. Das sind Bürokratie, fehlende Digitalisierung und fehlende Fachkräfte. Keiner weiß, wie man das angehen soll. Das Gute ist, dass die junge Wirtschaft immer Potenziale sieht. Denn wenn wir auch in Zukunft Riesen bleiben wollen, müssen wir jetzt handeln.
Hier müssen ein paar Punkte komplett neu gedacht werden:
- Die Fachkräftesicherung kann nur erfolgreich gelingen, wenn wir Vielfalt, Gleichberechtigung und Teilhabe fördern und leben. Diversity ist kein Schönheitsfaktor, sondern harter ökonomischer Vorteil. Deutschland und Europa droht ein Mangel von 5 Millionen Fachkräften. Wir können keine Potenziale links liegen lassen. Die gesamte Gesellschaft muss neugestaltet werden – für jeden.
- Digitalisierung der Verwaltung, Stärkung und Einsatz von KI.
- Die junge Generation muss einbezogen werden. Junge Gesellschaften sind innovativer und dynamischer, ältere Gesellschaften sind eher strukturkonservativ. Eine Studie von 2022 besagt, dass die junge Wirtschaft kreativ ist, etwas wagt, Veränderung schafft. Wir legen Wert auf Teamwork, Empathie und Mitgefühl. Das macht Unternehmen erfolgreich.
Sehen Sie die vollständige Rede hier.
Mobility-Panel: Europa auf der Überholspur: Visionäre Diskussion über die Zukunft der Mobilität im Jahr 2035
Unter der Leitung von Johannes Pennekamp, Ressortleiter, Frankfurter Allgemeine Zeitung, diskutierten Andrea Fuder, Executive Vice President Volvo Group Purchasing & Chief Purchasing Officer, Volvo Group, Uwe Hochgeschurtz, Chief Operating Officer, Enlarged Europe, Stellantis, Pierangelo Misani, Executive Vice President Research and Development and Cyber, Pirelli Tyre S.p.A. und Hildegard Müller, Präsidentin, Verband der Automobilindustrie
Hildegard Müller: Die deutsche Autoindustrie strebt 2050 Klimaneutralität an. Hier müssen wir aber nicht nur die Neuwagen betrachten, wir müssen auch den Blick auf den Bestand richten. Wir brauchen mehr als nur Regulierung, sonst wird Wertschöpfung nicht hier stattfinden, siehe China oder den „Inflation Reduction Act“ in den USA. Wir brauchen Technologieoffenheit, das ist kein Selbstzweck, sondern bietet Chancen auf Optionen. Für den PKW-Bereich gibt es die klare Konzentration auf das Thema Elektromobilität. Synthetische Kraftstoffe kommen in allererster Linie mit Blick auf den Bestand ins Spiel. Die Bundesregierung setzt sich für 2023 das Ziel mit 15 Millionen Elektroautos, dann haben wir aber immer noch 35 Millionen PKWs im Bestand, 280 Millionen in der EU, 1,5 Milliarden weltweit. Unser Ziel bleibt die Umstellung auf Elektro, doch das Problem mit dem Bestand bleibt. Europa macht eine Energiepolitik, die unter dem Bedarf bleibt.
Uwe Hochgeschurtz: Es muss klare Rahmenbedingungen geben. Die EU hat beschossen, dass ab 2035 keine Verbrenner mehr verkauft werden dürfen, eine klare Richtlinie. Das bedeutet, das Auto hat seine beste Zeit vor sich, es wird klimaneutral, mit null Emissionen fahren. Dahinter steht auch die Produktion der Fahrzeuge, die soll bis 2038 klimaneutral laufen. Dem elektrobetriebenen Fahrzeug gehört die Zukunft, zumindest die nähere Zukunft. Wenn Sie hier eine Einheit Energie reinstecken, kriegen sie 70 % raus. Der Effizienzgrad von synthetischen Kraftstoffen liegt im Moment weit drunter, bei 25 bis 30 Prozent. Man sollte hier in der Forschung nicht stoppen, sondern fortsetzen, doch E-Fuels sind für die nächste Dekade keine seriöse Alternative.
Andrea Fuder: LKWs und Busse stellen auch auf CO2-neutrale Antriebe um, hier gibt es aber noch kein Datum wie für PKWs. Wir investieren in Batterie- und Brennstoffbetriebene LKWs bis 2040. Für den Schwerlastverkehr hat der Verbrennunsgmotor weitere Berechtigung, allerdings mit E-Fuels oder Wasserstoff betrieben. Diese Technologieoffenheit sollte beibehalten werden. Die Transformation zur Elektrifizierung ist eine der wichtigsten Antworten, die wir geben müssen. Ich bezweifle aber, dass hier erforderliche Systeme rechtzeitig fertig sein werden. Das größte Problem ist das Netzwerk, sind die Stromnetze. Der Bedarf an Elektrizität ist massiv.
Sehen Sie hier die vollständige Diskussion.
Das europäische finanzpolitische Gespräch mit Dr. Magnus Brunner, Finanzminister der Republik Österreich und Manfred Schäfers, Wirtschaftsredaktion, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Wir haben die letzten Monate und Jahre einiges auf den Weg gebracht in dieser Regierung. Wir haben mit einer großen Steuerreform die Steuertarife nach unten gesetzt und die kalte Progression abgeschafft, die in Österreich seit 40 Jahren diskutiert worden ist. Hier hat uns die hohe Inflation geholfen. Eine Schuldenbremse haben wir nicht, doch das Ziel ist es, nachhaltige Budgetpfade und eine nachhaltige Fiskal-Politik einzuschlagen, um uns Spielräume für die Zukunft zu geben, auf nationaler aber auch auf europäischer Ebene. Die europäische Zentralbank muss die Möglichkeit haben, gegen Krisen und Inflation anzukämpfen. Man hat ihr vorgeworfen, sie sei „too late too little“, was aber hätte sie machen sollen. Deswegen müssen wir zu einer nachhaltigeren Budgetpolitik zurückkehren.
Sehen Sie hier das vollständige Gespräch.
Wir danken der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und ihrem Herausgeber Gerald Braunberger, dem Team der F.A.Z.-Konferenzen und der ESMT für die erfolgreiche Konferenz und Zusammenarbeit.