Um die Klimaziele 2030 zu erreichen, plant die EU-Kommission eine europaweite CO2-Steuer, die mit dem New Green Deal gekoppelt werden soll. Der Vorschlag für einen Mechanismus zur Anpassung der Kohlenstoffgrenzen soll zunächst für ausgewählte Sektoren wie Stahl, Chemie und Zement gelten und ist für 2021 vorgesehen.
Mit dieser an der EU-Außengrenze erhobenen CO2-Steuer werden Importe, die den EU-Bestimmungen für eine klimafreundliche Produktion nicht entsprechen, künstlich verteuert. Damit europäische Exporteure ihre Waren auf dem Weltmarkt trotz hoher Klimaschutzkosten wettbewerbsfähig anbieten können, sollen sie einen Zuschuss erhalten, um zu verhindern, dass sie in Länder mit geringeren Klimaschutz-Auflagen abwandern.
Wie dieser CO2-Grenzausgleich umgesetzt werden soll, wirft jedoch viele Fragen auf. So wird vermutet, dass die Steuer nur wenigen Industriebranchen einen fairen Wettbewerb ermöglicht. Auch, ob die Klimaziele eher durch Regulierung oder Besteuerung erreicht werden können, wird derzeit heftig diskutiert.
So plädiert die Würth Group für ein grundsätzliches Verbot von Gütern oder Dienstleistungen auf dem europäischen Binnenmarkt, die die Anforderungen bezüglich des CO2-Fußabdrucks nicht erfüllen, statt für eine CO2-Steuer, die zu einer zusätzlichen Belastung von europäischen Unternehmen führen würde. Dafür würden sich spezifische, rechtlich bindende Produktanforderungen eignen, die eine sorgfältige Messung des CO2-Fußabdrucks eines Produktes ermöglichen. Eine Regulierung setze zudem Anreize für Unternehmen, in innovative und CO2-neutrale Produkte zu investieren, um einen Wettbewerbsvorteil zu generieren.
Zudem sollte sich die EU weiterhin verstärkt für eine globale Lösung einsetzen, denn nur so könne hinsichtlich des Ausstoßes von Emissionen Wettbewerbsgleichheit geschaffen werden.
„Weder die Treibhausgasemissionen noch die Atmosphäre sind an nationale Grenzen gebunden“, unterstreicht Prof. Dr. Reinhard Hüttl, Wissenschaftlicher Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender des Helmholtz-Zentrums Potsdam. „Der internationale grenzüberschreitende Handel erfordert daher beim Klimaschutz die Berücksichtigung des gesamten Kohlenstoff-Fußabdrucks von Produkten und Dienstleistungen. Kohlenstoff-Preisbildungsmechanismen sind das Herzstück eines effizienten und effektiven Marktdesigns für die Transformation zu einer kohlenstoffneutralen Welt bis Mitte des 21. Der Einsatz von Grenzkohlenstoffanpassungen könnte daher für Sektoren mit hoher Energieintensität und starkem internationalen Wettbewerb nützlich sein. Sie könnte jedoch auch protektionistische Handelskonflikte auslösen und bleibt daher eine äußerst heikle Angelegenheit, deren Erfolg nicht garantiert werden kann.“
Die EU sollte darüber hinaus ihr Engagement für eine globale Lösung weiter verstärken, da nur so gleiche Ausgangsbedingungen in Bezug auf Emissionen geschaffen werden können.
Auf unserer Podiumsdiskussion, die auch über Zoom übertragen wird, werden die Teilnehmer darüber diskutieren, wie Antworten auf entscheidende Fragen wie die praktische Umsetzbarkeit der Brüsseler Pläne, die Auswirkungen auf komplexe Wertschöpfungsnetzwerke, steigende Kosten sowie Handelsbeziehungen und Exporte gefunden werden können.
Über unsere Gäste:
Manfred Kurz ist seit 1998 bei der Würth-Group tätig. Er leitet u.a. die Repräsentanzen in Berlin und Brüssel und steht in dieser Funktion in permanentem Austausch mit der Politik, Wirtschaftsverbänden, ausländischen Gesandtschaften und Kultureinrichtungen, kurz: allen verantwortlichen gesellschaftlichen Gruppierungen. Manfred Kurz schlägt Brücken in immer komplexer werdenden Kontexten, zeigt unternehmerische Erfordernisse gerade vor dem Hintergrund überbordender Regularien auf. Manfred Kurz betont stets die Wechselwirkung zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik: „Jedes Unternehmen, unabhängig von seiner Größe, wirkt sowohl durch seine Mitarbeiter, seine Kunden und Lieferanten als auch durch seine bürgergesellschaftlichen Aktivitäten in seine gesellschaftliche Umgebung hinein.“ Auch deshalb ist das Haus Würth auf Schwanenwerder ein weltoffener Ort der Begegnung mit Manfred Kurz als Hausherrn, der einen Blick für das Besondere und vor allem das Wesentliche hat.
Günther H. Oettinger ist seit Anfang 2020 Präsident von United Europe e.V. Er war von Januar 2017 bis November 2019 EU-Kommissar für Haushalt und Personal. Von November 2014 bis Dezember 2016 hatte er das Amt als EU-Kommissar für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft inne, nachdem er von Februar 2010 bis Oktober 2014 als EU-Kommissar für Energie, zuletzt auch als Vizepräsident der Europäischen Kommission, tätig war. Zuvor war Herr Oettinger in den Jahren von 2005 bis 2010 Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg und seit 1984 Mitglied des Landtages. Von Januar 1991 bis April 2005 war er Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. Der studierte Jurist engagierte sich bereits in seiner Jugend aktiv in der Politik. Er ist Mitglied des Bundesvorstandes und des Präsidiums der CDU Deutschland.
Reinhard F. Hüttl ist Wissenschaftlicher Vorstand und Vorsitzender des Vorstandes des Helmholtz-Zentrums Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ) und Vizepräsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech). Reinhard Hüttl war Mitglied des Sachverständigenrates der Bundesregierung für Umweltfragen sowie Mitglied und Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrates der Bundesregierung. Außerdem war er Mitglied der Ethikkommission der Bundesregierung für Energieversorgung. Er ist Vorsitzender des Kuratoriums für das Projekt „Energiesysteme der Zukunft” der deutschen Wissenschaftsakademien.
David Boublil ist seit Ende 2019 stellvertretender Leiter des Referats „Indirekte Steuern“ in der Generaldirektion Steuern und Zoll der Europäischen Kommission. In diesem Referat ist er für den „Carbon Border Adjustment Mechanism“ zuständig, der derzeit diskutiert wird. Zuvor war er Mitglied des Kabinetts von Kommissar Pierre Moscovici (Kommissar für Wirtschaft und Finanzen, Steuern und Zölle). In dieser Position war er hauptsächlich für das Steuerwesen und die Beziehungen mit der OECD in Steuerfragen zuständig. Darüber hinaus arbeitet Herr Boublil seit 1997 für die Europäische Kommission in verschiedenen Positionen, hauptsächlich im Steuerbereich. Auf diese Weise hat er umfangreiche Erfahrungen auf dem Gebiet der Besteuerung gesammelt. Bevor er seine Karriere bei der Europäischen Kommission begann, arbeitete er als Steuermanager bei Arthur Andersen/Deloitte, als Steuerberater für HOTREC und Rhône Poulenc Chimie. Herr Boublil verfügt über ein internationales Diplom in Europäischer Besteuerung sowie über einen Master-Abschluss in Steuern und Management.
Dr. Alice Pirlot ist Forschungsstipendiatin für Rechtswissenschaften am Zentrum für Unternehmensbesteuerung der Universität Oxford. Vorher war Alice Pirlot Forschungsstipendiatin des Nationalen Belgischen Fonds für Wissenschaftliche Forschung (FNRS) an der Universität Löwen, wo sie ihren Doktortitel erhielt. Alices Hauptexpertise liegt an der Schnittstelle zwischen Steuer-, Umwelt-, EU- und internationalem Handelsrecht. Ihre Veröffentlichungen decken ein breites Spektrum von Themen ab, darunter ökologische Grenzsteueranpassungen, die Besteuerung des Energiesektors, die Wechselwirkungen zwischen der Steuerpolitik und den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung. Alice Pirlot hat verschiedene Preise und Stipendien erhalten, darunter das InBev-Baillet Latour-Stipendium, FNRS-Promotions- und Postdoc-Stipendien und Stipendien des belgischen Internationalen Jugendbüros. Sie erhielt den Kreiser-Preis auf der Weltkonferenz über Umweltsteuern, die 2013 in Kyoto organisiert wurde. Im Jahr 2017 erhielt sie für ihre Arbeit über “Environmental Border Tax Adjustments and International Trade Law” auch eine lobende Erwähnung der International Fiscal Association.
Dr. Martin Schneider ist Hauptgeschäftsführer des Vereins Deutscher Zementwerke e.V. (VDZ) und Leiter des Forschungsinstitutes der Zementindustrie sowie Geschäftsführer der European Cement Research Academy (ECRA). Nach seiner Promotion in Angewandter Physik an der Universität Bonn und kurzen Zwischenstationen im wissenschaftlichen Bereich begann er 1991 seine Tätigkeit beim VDZ im Bereich Umweltschutz und Zementchemie. Seit 2009 ist Martin Schneider als Honorarprofessor an der Technischen Universität Clausthal tätig. Der VDZ ist die wirtschaftspolitische und technisch-wissenschaftliche Vereinigung der deutschen Zementindustrie zur Wahrung und Förderung der gemeinsamen wirtschaftlichen Belange der Zementindustrie und zur Förderung von Technik und Wissenschaft einschließlich der vorwettbewerblichen Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Herstellung und Anwendung hydraulischer Bindemittel.
Kathrin Witsch ist Redakteurin für den Wirtschafts- und Politikteil des Handelsblattes. Als freie Mitarbeiterin sammelte sie bei verschiedenen Nachrichtensendern und Zeitungen viele Berufserfahrungen. Zu ihren Stationen zählen bekannte Nachrichtensender wie Phoenix, Deutsche Welle, der Spiegel, die Rhein-Zeitung und die Huffington Post. Im Dezember 2016 beendete sie ihr Volontariat an der Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten. ZUvor studierte sie Medien- und Kulturwissenschaften an den Universitäten in Koblenz und Bonn. Kathrin Witsch wird die Podiumsdiskussion moderieren.