Unser jüngstes Advocacy-Seminar „Was passiert mit KI?“ fand am 13. Mai 2024 bei Microsoft Berlin statt, wo über 30 Young Leaders aus ganz Europa die Auswirkungen von KI auf verschiedene Aspekte von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft diskutierten:
„Balanceakt: Der Weg zu verantwortungsvoller KI in Europa“ von Martin Hullin, Direktor Digitalisierung und Gemeinwohl bei der Bertelsmann Stiftung.
Martin Hullin erklärte, dass die Gesellschaft derzeit auf KI-Fortschritte mit Regulierung reagiert, aber es müsse mehr auf gesellschaftliche Aspekte fokussiert werden, um KI für das Gemeinwohl zu nutzen. Größeres Wissen und Bewusstsein unter Systemdesignern, der Zivilgesellschaft und Programmierern seien unerlässlich. Das anhaltende regulatorische Wettrüsten zwischen Regulierung und Innovation schaffe Spannungen. Um dies zu bewältigen, sei der Aufbau von Vertrauen in KI-Technologien entscheidend. Regulierung allein reiche nicht aus; auch der Aufbau von Kapazitäten sei wichtig für die Umsetzung von Schutzmaßnahmen. In diesem Zusammenhang betonte Martin Hullin, dass der AI Act darauf abzielt, sicherzustellen, dass KI die Bürgerrechte und die öffentliche Sicherheit respektiert und gleichzeitig Innovation und Vertrauen fördert. Er verfolgt einen risikobasierten Ansatz mit strengen Vorschriften für Hochrisikoanwendungen und verbietet bestimmte Anwendungen, wie die Echtzeit-Biometrie-Identifikation im öffentlichen Raum.
„KI-gestützte Desinformation als Bedrohung für die Integrität von Wahlen“ von Markus Oermann, Professor für Digitale Ethik und Medienrecht an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (THWS).
Professor Oermann hob die Bedrohung hervor, die KI-gestützte Desinformation für die Integrität von Wahlen darstellt, insbesondere im Jahr 2024, einem Superwahljahr mit 33 Exekutiv- und Legislativwahlen weltweit. KI wurde bereits in verschiedenen Ländern bei Wahlen eingesetzt, mit Beispielen wie Deepfake-Videos und automatisierten Anrufen, die darauf abzielen, das Wählerverhalten zu manipulieren.
Professor Oermann betonte, dass demokratische Wahlen auf der freien Meinungsbildung beruhen, die vertrauenswürdige Informationen erfordert. Desinformation (z.B. Deepfakes), Malinformation (z.B. Hasspropaganda) und täuschende Kommunikation gefährden diese Integrität. Er hob Brancheninitiativen wie das Labeling und Flagging in sozialen Medien sowie politische Maßnahmen wie den Hiroshima-Prozess der G7, den Entwurf des Europarates zum KI-Rahmen und den EU-Digital Services Act hervor. Anbieter von Informationsinfrastrukturen spielen eine entscheidende Rolle bei der Sicherstellung eines gleichberechtigten Zugangs zu verlässlichen Informationen, einem Kernwert des demokratischen öffentlichen Diskurses, unterstrich Oermann. Anstatt sich ausschließlich auf Marktorientierung zu konzentrieren, sollten sie von Anfang an effektive, wertbasierte Forschung und Entwicklung priorisieren. Oermann forderte die Stakeholder auf, ein wirksames Ethos für verantwortungsvolle KI-Forschung und -Entwicklung zu etablieren und aufrechtzuerhalten, um sicherzustellen, dass sie als robuste Informationsinfrastruktur dient.
„Chancen für die europäische Wirtschaft bei der Anwendung von KI“ von Harmen Zell, Public Policy Manager bei Meta und Christoph Stephan Meister, Policy Experiences Lead bei Meta. Der Workshop zeigte, wie Metas KI-Innovationen und der offene Forschungsansatz die europäische Wirtschaft erheblich beeinflussen können, indem sie den Zugang zu fortschrittlichen KI-Tools demokratisieren.
Meta, durch sein in Paris ansässiges Facebook AI Research (FAIR), ist führend bei der Weiterentwicklung von KI mit einem Engagement für offene Forschung. Die Anwendung von KI in Europa bietet zahlreiche Chancen in verschiedenen Sektoren. Metas Fortschritte bei KI-Tools und -Plattformen können Innovationen vorantreiben, die Produktivität steigern und das Wirtschaftswachstum auf dem gesamten Kontinent fördern. Zu den während des Workshops vorgestellten Innovationen gehörten:
- LLAMA: Die nächste Generation des Open-Source-LLMs, kostenlos verfügbar für Forschung und kommerzielle Nutzung
- Seamless Expressive: Ein KI-Tool, das aufgezeichnete Videos in andere Sprachen übersetzt
- Segment Anything (SAM): Ein KI-Tool, das Komponenten in Bildern präzise anvisiert, was in Bereichen wie der Radioonkologie und der Fertigung nützlich ist.
- Intelligente Brillen mit KI-Funktionen: Mit einem integrierten KI-System, das als täglicher KI-Begleiter dient.
- AI Studio: Eine Open-Source-Plattform zur Entwicklung und Feinabstimmung von KI-Tools. Indem KI-Tools zugänglich und einfach zu bedienen gemacht werden, hilft Meta, das Spielfeld zu ebnen und es kleineren Unternehmen und Forschungseinrichtungen zu ermöglichen, Spitzentechnologie zu ihrem Vorteil zu nutzen.
„Chancen in nachhaltiger KI“ von René Delbé, Climate Pact Lead bei Microsoft und Alperen Can, IT-Leiter bei Mercedes Benz AG.
Alperen Can präsentierte das Green Machine Projekt und demonstrierte, wie intelligente Algorithmen und datengesteuerte Ansätze die Fertigungseffizienz und Nachhaltigkeit erheblich verbessern können. Mit zunehmendem Umweltbewusstsein sucht die Industrie nach nachhaltigen Wegen, um Energie zu sparen. Das Projekt konzentriert sich darauf, bestehende Produktionsanlagen durch intelligente Datenanalyse zu optimieren, anstatt neue Komponenten zu kaufen, die Ressourcen verschwenden können. Durch das Sammeln umfassender Informationen über Produktionsanlagen können selbstlernende Algorithmen Optimierungen automatisieren. „Die Industrie verbraucht fast 45 % des elektrischen Stroms. Effizienzsteigerungen und Nachhaltigkeit sind für Unternehmen, insbesondere in der Fertigungsindustrie, entscheidend, wo Werkzeugmaschinen erheblich Energie verbrauchen“, betonte Alperen.
Zum Abschluss des Workshops stellte René Delbé Microsofts Co-Pilot KI-Assistenten vor. Diese innovative App zeichnet sich dadurch aus, dass sie die einfache Überprüfung von Antworten durch klar gekennzeichnete Quellen und Zitate erleichtert. René Delbé unterstrich die entscheidende Bedeutung der Verifikation bei der Nutzung von KI-Tools. Zusätzlich bietet die Co-Pilot-App die Möglichkeit, lizenzfreie Bilder zu generieren, was ihre Vielseitigkeit und Nützlichkeit hervorhebt.
„Digitale Souveränität: Eine robuste Strategie für Europa“ von Professor Key Pousttchi, Gründer des wi-mobile Instituts für digitale Transformation. Der Vortrag von Professor Pousttchi hob drei Hauptprobleme im Zusammenhang mit KI hervor:
- Verständnis: Es gibt einen weit verbreiteten Wunsch nach KI, aber nur wenige verstehen sie wirklich.
- Wahrheit: KI kann die Wahrheit nicht bestimmen; sie arbeitet mit probabilistischen Modellen. Zum Beispiel kann ChatGPT Berechnungen beschreiben, versteht sie jedoch nicht.
- Politik: Viele politische Entscheidungen über KI werden von Personen getroffen, die keine tiefgehenden technischen Kenntnisse haben, oft Juristen statt Mathematiker oder Programmierer.
Pousttchi betonte die Notwendigkeit, dass Entscheidungsträger induktive Statistik und die komplexe, multidimensionale Natur von KI-Modellen verstehen. Ohne gründliche Bewertung und echtes Wissen greift der öffentliche Diskurs über KI oft auf Abkürzungen und oberflächliche Aussagen zurück, die eine ernsthafte, tief-gehende Analyse vermissen lassen.
KI verteilt die Macht neu unter Einzelpersonen, Unternehmen, Branchen und Weltmächten. Die führenden Unternehmen im Bereich Daten und Nutzung – Apple, Google, Meta, Amazon und Microsoft sowie ihre chinesischen Gegenstücke – sind darauf ausgelegt, die KI-Landschaft zu dominieren. Der Schlüssel zur Macht liegt im Besitz von Kundendaten, was alles von Smartphones und Autos bis hin zu Smart Cities, Häusern und zukünftigen technologischen Erweiterungen des menschlichen Körpers beeinflusst.
Pousttchi betonte, dass Europas Rolle von einem Akteur zu einem Spielfeld geschrumpft ist. Um Einfluss zurückzugewinnen und sicherzustellen, dass europäische Werte bei der Gestaltung der Zukunft berücksichtigt werden, muss Europa bedeutende Beiträge leisten. Dies erfordert erhebliche Anstrengungen, ähnlich der „Airbus“-Aufgabe, um auf globaler Ebene im KI-Bereich gleichwertig mitwirken zu können.
Sie können das gesamte Seminar auf YouTube ansehen.
Wir möchten uns bei Jennifer Pernau, Managerin bei Microsoft, und Felix Klein, Berater bei Vindelici Advisors, für ihre Beiträge zum Seminar bedanken. Jennifer Pernau war Teil unseres Mentoring-Programms 2023/24 und Felix Klein war Teil unseres Mentoring-Programms 2022/23. Jennifer und Felix sind zwei aktive Mitglieder des Young Leaders Advocacy Network von United Europe.