Dieser Essay wurde von Kristina Radovic als Bewerbung für unser Young Professionals Seminar „How to strengthen the Eurozone” erstellt, das am 17. und 18. Oktober 2019 in Lissabon stattfindet. Kristina ist Projektkoordinatorin der Belgrader Messe in Serbien.
Die Europäische Union ist eine politisch-ökonomische Einheit, die (noch) aus 28 souveränen Staaten besteht. Sie unterliegt einem permanenten Prozess, der nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Ziel eingeläutet wurde, die Wiederherstellung der nach dem Krieg verwüsteten Staaten zu beschleunigen und effizienter zu gestalten. Die Hauptidee bestand darin, die Ressourcen zu bündeln, um so Wechselbeziehungen zu schaffen und einen weiteren bewaffneten Konflikt globalen Ausmaßes zu verhindern.
Mit dem Ziel, einen freien Markt zu erhalten, in dem sich Menschen, Waren, Dienstleistungen und Kapital ohne Einschränkungen bewegen können sowie einer gemeinsamen Politik (Währung, Handel, Landwirtschaft), versucht die EU die Vision von Frieden und wirtschaftlichem Wohlstand für alle sowie von einer ganzheitlichen Entwicklung zu verwirklichen. Diese Vision steht Jahr für Jahr vor schwierigen Herausforderungen, die mehr oder weniger erfolgreich gemeistert werden, insbesondere wenn mehr Länder der Union beitreten und andere die Union verlassen.
Die wohl schwierigste ist, da sie konstant ist, zweifellos die finanzielle Herausforderung, mit der jedes Land für sich allein, aber auch die Europäische Union insgesamt konfrontiert ist.. Auch wenn viele der Meinung sind, dass sich die wirtschaftliche Situation seit 2017 verbessert und an Stabilität gewonnen hat, gibt es immer noch jene Länder, die unter der Last ihrer Staatsschulden und Sparmaßnahmen leiden. Diese erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten beflügeln die populistischen und antieuropäischen Parteien, deren Ideologie die Union schwächen können.
Dies zeigte sich besonders an den Ergebnissen der letzten Wahlen zum Europäischen Parlament, bei denen ein Viertel der Sitze an die Populisten ging. Aber mit einer höheren Wahlbeteiligung als sonst und motivierteren proeuropäischen Wählern hat auch die Pro-EU-Linke an Boden gewonnen.
Angetrieben von der Sorge, wie mit der Krise in der Eurozone umgegangen wird und dem Gefühl einer sich verringernden Demokratie, glauben diese „Euroskeptiker˝, dass Brüssel zu viel Souveränität verliehen wurde. Diese Sorge hat die Voraussetzungen für einen sehr intensiven Kampf geschaffen, welche Richtung die Europäische Union einschlagen soll. Es bleibt abzuwarten, ob es sich um einen Weg zu einer stärker integrierten Europäischen Union, zwischen den bestehenden Mitgliedstaaten sowie denjenigen mit dem Kandidatenstatus (Serbien ist einer von ihnen) handelt. Eine weitere Möglichkeit ist die der geringeren Integration, bei dem sich die Staaten, die bereits in den Integrationsprozess eingetreten sind, in einer beneidenswerten Lage befinden.
Ob es sich um einen Weg zu einer stärker integrierten Europäischen Union, sowohl zwischen den bestehenden Mitgliedstaaten als auch denjenigen mit Kandidatenstatus (Serbien ist einer von ihnen) oder um einen Weg der geringeren Integration handelt, bei dem die Staaten zu beneiden sind, die bereits in den Integrationsprozess eingetreten sind, bleibt abzuwarten.
Diese Situation wurde durch den Brexit, der im Juni 2016 begann und bei dem kein Ende in Sicht ist, sowie durch ständige Verzögerungen enorm verschärft. Mit dem Rücktritt der konservativen Vorsitzenden und Premierministerin Theresa May und der neuen Brexit-Frist bis zum 31. Oktober tun sich viele mögliche Szenarien für die folgenden Monate auf. Nun bleibt abzuwarten, ob der 31. Oktober als historischer Tag gekennzeichnet wird, an dem die EU ihren steinigen Weg ohne das Vereinigte Königreich als Partner fortsetzen wird.
Der Anstieg der Popularität der rechtsextremen Parteien wurde ebenfalls durch die Migrationskrise beeinflusst, bei der Millionen von Flüchtlingen vor Konflikten und Armut flohen, in der Hoffnung, in westeuropäischen Ländern eine neue Heimat zu finden. Diese Situation hat gezeigt, wie gespalten die EU-Länder in ihrer Haltung gegenüber den Migranten sind und den Wert der Solidarität der EU in Frage gestellt. Eine der Säulen der EU, die Freizügigkeit und der Schengen-Raum, ist bedroht, da viele Länder Grenzkontrollen einführen, auch aus Angst vor einem zunehmenden Strom von Terroristen.
Die Frage der wirtschaftlichen Auswirkungen hat erneut die Meinungen gespalten. Einige glauben, dass die Migrationskrise die Wirtschaft der EU-Mitgliedstaaten belasten wird, während andere vom Gegenteil überzeugt sind, dass sich dieser Zustrom auf lange Sicht als vorteilhaft erweisen wird. Der Umgang der EU und Brüssels mit dieser Situation wurde stark kritisiert, was zu einer weiteren Spaltung geführt hat. Zudem hat die Frage der wirtschaftlichen Auswirkungen die Meinungen gespalten: Einige glauben, dass die Migrationskrise die Wirtschaft der EU-Mitgliedstaaten belasten wird, während andere meinen, dass sich der Zustrom auf lange Sicht als vorteilhaft erweisen wird. Es gab heftige Kritik daran, wie die EU und Brüssel mit dieser anhaltenden Situation umgegangen sind, was zu weiteren Gräben führte.
Das schaukelt weiter das Thema einer terroristischen Bedrohung auf, da die Fähigkeit der EU, ihr entgegenzuwirken, durch die unterschiedlichen Ansichten der Regierungen in Fragen wie Gewaltanwendung und Schutz der Menschenrechte belastet wird.
Der nächste Zeitraum kann sich als entscheidend für die Zukunft der Europäischen Union erweisen, oder genauer gesagt für das, wofür die Europäische Union steht. Noch nie zuvor hat die Identität der EU so vielen Beben standgehalten und sich dennoch behauptet. Es scheint jedoch, dass es angesichts der jüngsten Veränderungen im politischen Klima wahrscheinlich ist, dass der Weg, den die EU einschlagen muss, mehr oder weniger von ihren Grundprinzipien und ihrer Vision abweicht. Es ist offensichtlich, dass einige Änderungen vorgenommen werden müssen, sei es in Bezug auf die Verträge oder bei den Entscheidungsprozessen. Dies könnte zu einer weitreichenden Veränderung des EU-Gebildes führen und sie in „Kern“- und „Peripherie“-Länder unterteilen, in dem sich letztere entscheiden könnten, keine Integrationsbemühungen durchzuführen, wobei es den Anschein hat, dass dies bereits geschieht.
Am Ende werden es die allein gelassenen Menschen sein, die sich fragen, wer diejenigen sind, deren Entscheidungen ihr Leben und vor allem das Leben der zukünftigen Generationen beeinflussen. Werden sie von anderen Werten und Standpunkten geprägt sein als diejenigen, die in den wohlhabenden Jahren der Europäischen Union gelebt haben? Oder wird sich die ursprüngliche Vision durchsetzen, trotz der zunehmenden Herausforderungen, denen sich die EU Jahr für Jahr stellen muss?