Von Anna Romandash.
Die Idee gemeinsamer europäischer Werte scheint außerhalb der EU populärer zu sein als innerhalb; Länder, die danach streben, EU-Mitglieder zu werden, umarmen die europäische Ideen geradezu, während die EU-Bürger eher skeptisch sind. Da gibt es viele gegensätzliche Ansichten über die EU und was sie bringt. Unter vielen Nicht-EU-Europäern wird die bestehende Union als Quelle von Stabilität, Transparenz und demokratischer Transformation für sich abmühende Kommunalverwaltungen gesehen; sie ist ein “populärer Kinderclub”, dem sich Möchtegerne begierig anschließen wollen. Die Bürger der entwickelten EU-Länder betrachten die EU jedoch oft als eine ineffiziente Gruppe, in der sie ärmere Länder finanzieren und unterstützen und im Gegenzug unerwünschte Migration, wirtschaftliche Probleme und ethnische Spannungen bekommen.
Obwohl diese beiden Ansichten einander ausschließen, bedeutet das nicht, dass eine von ihnen völlig wahr oder falsch ist, und dass wir die eine oder andere Gruppe ablehnen sollten. Vielmehr sollten beide miteinander kommunizieren.
Ich komme aus Osteuropa, einem politisch geprägten Begriff von Ländern, die seit vielen Jahrzehnten von Sowjets besetzt waren und die den demokratischen Übergang in den 1990er Jahren anders gehandhabt haben. Mein Heimatland Ukraine kämpft noch immer, obwohl seine pro-Europäischen Ambitionen klar sind. Der Grund dafür ist einfach: Für die meisten Ukrainer ist die EU ein stabiler demokratischer Hafen mit guten Straßen und hohen Löhnen. Wir sehen die EU als ein Beispiel für stabile Demokratien, die die Wirtschaft rockt, trotz einiger kleinerer Probleme hier und da. Das wird uns besonders klar, wenn wir beobachten, wie unsere westlichen Nachbarn stetig bedeutende Fortschritte machen; und während sie voranschreiten und wachsen, wollen wir dasselbe auch für unsere Wirtschaft und Gesellschaft.
Andererseits sind viele EU-Mitglieder – auch die neuen – der Meinung, dass die Organisation nicht so regenbogenperfekt ist, wie es für Außenstehende scheint. Die Unzufriedenheit wächst, wenn der wirtschaftliche Nutzen nicht mehr stark genug ist. Infolgedessen scheint das europäische Projekt der Vielfalt und der gemeinsamen liberalen Werte auseinanderzufallen.
Dies zeigt jedoch nur, dass die EU noch im Aufbau ist, und obwohl es interne und externe Herausforderungen gibt, ist die Union ein gutes Beispiel dafür, wie verschiedene Nationen zusammenarbeiten und etwas Greifbares und Nachhaltiges schaffen können. Ein wichtiger Weg, die EU-Nationen daran zu erinnern – und die europäische Idee effektiver und relevanter zu machen – ist die Stärkung der Brücken, die zwischen der EU und der Östlichen Partnerschaft und den Balkanstaaten bestehen. Die Unterstützung beider Seiten sollte auf Gegenseitigkeit beruhen; während weniger entwickelte Staaten von Anti-Korruptions- und Transparenzbemühungen lernen können, könnte die EU etwas von den aufstrebenden Nationen lernen. Schließlich ist die EU-Idee außerhalb der EU sehr stark, warum also nicht die Gründe dafür hören und die Union mit den Augen der Nachbarn sehen?
Das Wichtigste an der EU ist zu verstehen, was sie aufbaut und welchen Mehrwert sie für ihre bestehenden und potenziellen Mitglieder bringt. Das Negative zu sehen ist nicht zu vermeiden, aber das ist an sich schon ein Weg, die Herausforderungen zu lösen. Das Positive zu sehen, ist etwas, das die Nachbarländer der EU im Austausch für eine fruchtbarere Zusammenarbeit und Kapazitätsverbesserung in der östlichen und südlichen Region beibringen können. Nur dann können wir von Europa als einer geeinten Region von fast 50 Ländern sprechen, und dieses geeinte Europa sollten wir anstreben.
Anna Romandash ist eine 25-jährige Journalistin aus Kiew, die die Kommunikation bei der NGO “Digital Communication Network” leitet. Sie arbeitet mit osteuropäischen Journalisten zusammen und sucht nach Möglichkeiten, diese Arbeit für alle Europäer interessanter zu gestalten und zu verstehen, wie die EU mit medienbezogenen Handlunsgweisen umgeht. Sie hat am Young Professionals Seminar von United Europe in Freiburg teilgenommen.