Luca Contrino, ein junger Italiener, der gerade seinen Master in internationalen und europäischen Beziehungen an der Linköping Universität in Schweden macht, hat auf der Seite unseres Kooperationspartner „Europa United“ eine bemerkenswerte Analyse über die Wahlen in Russland und die Konsequenzen daraus publiziert.
Unter dem Titel „Seine ‚Wiederwahl‘ war eine Formalität, aber jetzt riskiert Putin, Probleme für sich selbst, Russland und Europa in seiner Region zu schaffen“ schreibt er, Putin habe nach seiner nicht gerade überraschenden Wiederwahl drängende Probleme zu bewältigen, mit denen er sich aber wahrscheinlich nicht vollständig auseinandersetzen werde, deren Auswirkungen aber sowohl innerhalb als auch außerhalb Russlands schwerwiegende Folgen haben werden.
Er schreibt, dass Putin seine Popularität mit gefährlichen Abenteuern im Ausland und einer Rhetorik gestützt habe, die die Erzählung von Russland als einem traditionellen, christlichen Land, das von einer dekadenten liberalen Welt, die es geschwächt und gedemütigt sehen will, in die Enge getrieben wird. Jetzt aber müsse er sich unweigerlich auf interne Themen konzentrieren, die er scheinbar vermieden habe. Andernfalls könne die politische Instabilität, die das postsowjetische Russland in den 1990er Jahren beinahe in die Knie gezwungen habe, zurückkehren; nur dieses Mal, so Contrino, könnten die Folgen reale Probleme für das russische Volk und seine Nachbarn nach sich ziehen.
Mit Ereignissen wie den Olympischen Spielen in Sotchi oder der bevorstehenden Fußball-WM wolle Putin ein Vermächtnis – sein Vermächtnis – schaffen. In großen Teilen hat er das bereits getan. Er hat Russland aus dem wirtschaftlichen Zusammenbruch und der Demütigung der Jelzin-Ära gezogen und durch die Übernahme der Krim die russische Souveränität und den früheren Ruhm Russlands bestätigt.
Doch die die russische Wirtschaft ist immer noch relativ wenig diversifiziert und zudem durch Sanktionen erschüttert, und die Armut trifft einen großen Teil der Bevölkerung. Aber es gibt eine Mittelschicht mit echter Kaufkraft, und das Konzept der wirtschaftlichen Diversifizierung soll in Putins voraussichtlich letzter Amtszeit angeblich Vorrang haben.
Doch andere Ereignisse wie die Rückkehr schwerer Gewalt in Tschetschenien könnten Putin ernsthaft schwächen. Die Kaukasusregion ist eine der ärmsten in Russland; die Arbeitslosenquote ist im Allgemeinen zweistellig, und das Durchschnittseinkommen liegt weit unter dem ohnehin schon niedrigen nationalen Durchschnitt liegt. Hinzu kommt das Gefühl, dass die russische Zentralbehörde die Souveränität über die Region zu behaupten scheint, aber nichts für ihre wirtschaftliche Entwicklung tut.
In seinem Text beschäftigt sich Contrino auch mit Russlands Engagement in Syrien und die Rolle der Türkei und, am Schluss, mit der „vielleicht gefährlichsten Frage“: Die Frage nach Putins Nachfolger. „Russland ist Putin und Putin ist Russland, und irgendwann müssen die beiden nach 18 Jahren, in denen sie praktisch untrennbar miteinander verbunden waren, überzeugend voneinander getrennt werden“, so Contrino. „Diese Amtszeit wird wahrscheinlich seine letzte sein, da er am Ende seiner nächsten Amtszeit 72 Jahre alt wird. Bislang gibt es keine überzeugenden Alternativen, auch weil Putin die wirtschaftlichen und politischen Kräfte um ihn herum bei Laune halten muss und die verschiedenen Fraktionen unterschiedliche Präferenzen haben, von denen noch niemand alle zufrieden stellt.“ Der einzige ernstzunehmende Gegner Alexej Navalny wird durch Anklagen und Verhaftungen zuverlässig von den Wahlen ausgeschlossen. Anstatt seinen Übergang vorzubereiten, habe er „die Opposition nach innen kastriert und nach außen hin Spaltungen geschaffen“. Um seine Nachfolge zu sichern, müsse Putin jetzt seine Hausaufgaben machen.
Den gesamten Text (in Englisch) lesen Sie hier.
Der Artikel wurde erstmals am 31. März 2018 auf der Seite unseres Kooperationspartners Europa United, einem gemeinnützigen Autorenportal, veröffentlicht: https://europaunited.eu/2018/03/31/reelection-was-a-formality-but-now-putin-risks-creating-problems-for-himself-russia-and-europe-on-his-turf/