Deutlicher hätte Frankreichs alter und neuer Präsident Emmanuel Macron nicht aufzeigen können, was für eine politische Dimension diese Wahl für Frankreich und ganz Europa hat. Als Macron am Sonntagabend zu seiner Siegesrede auf dem Pariser Marsfeld antrat, erklang statt der französischen Nationalhymne die Europa-Hymne – ein deutliches Signal dafür, wie knapp diese Wahl für das weitere Fortbestehen der Europäischen Union ausgegangen ist. Umso erleichterter fielen nicht nur die Glückwünsche der europäischen Staatshäupter, sondern auch die von der Europäischen Kommission und ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen aus. „Ich freue mich, unsere gute Zusammenarbeit fortsetzen zu können“, schrieb die deutsche Politikerin am Sonntag auf Twitter. „Gemeinsam werden wir Frankreich und Europa voranbringen.“
Doch auch wenn Europa sich erleichtert zeigt, macht die Wahl deutlich, wie gespalten Frankreich und Europa sind, und wie weit der politische Diskurs sich nach rechts verschoben hat. Marine Le Pen holte ein historisch gutes Ergebnis für ihre Partei “Rassemblement National”. Sie hat nicht nur die Stimmen von Geringverdienern, Arbeitslosen und Bauern erhalten, sie hat auch bei Angestellten, Handwerkern und sogar Unternehmenschefs aufgeholt. Energiekrise, Politikfrust und eine skeptische Haltung gegenüber Europa stärken nicht nur in Frankreich die politischen linken und rechten Ränder, sondern auch die in vielen weiteren Mitgliedsstaaten. Traditionelle Parteien verschwinden in der Bedeutungslosigkeit, das Heer der frustrierten Nichtwähler wird immer größer. 16,6 Millionen französischer Wähler ließen ihr Stimmrecht verfallen oder wählten ungültig, die Wahlbeteiligung lag bei 72 Prozent.
Eine gewaltige Aufgabe für Macron und alle anderen europäischen Staatsoberhäupter, die dringend einen Weg finden müssen, politisch frustrierte Bürger wieder an die Wahlurnen zu bringen. Es geht um viel. Nicht nur der Ukraine-Krieg muss mit einer gemeinsamen europäischen und globalen Kraftanstrengung beendet werden, Europa kann auch nur als Ganzes die Energiekrise und den Klimawandel bezwingen und Frieden und Wohlstand für alle garantieren. Mit Uneinigkeit und Alleingängen werden diese Herausforderungen nicht gemeistert werden können. Macron versprach am Wahlabend, ein Präsident aller Franzosen zu sein. „Niemand wird am Wegesrand vergessen werden“ – ein Versprechen, das für ganz Europa gelten muss.
Ein Kommentar vom United-Europe-Team: Rieke Schües, Dyria Alloussi, Katharina Kaemmerer