Unter dem Titel “A Window for EU Reform – How to strengthen the Euro” hatte United Europe am 12. Dezember Mitglieder und Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft zu einer Podiumsdiskussion ins Würth Haus Berlin eingeladen. Am Ende eines Jahres entscheidender Europawahlen diskutierte ein hochrangiges Gremium die verschiedenen Vorschläge zur Stärkung des Euro. Das Panel bestand aus Professor Dr. Marcel Fratzscher, Professor Filippo Taddei und Thomas Wieser.
Professor Dr. Fratzscher ist Präsident des DIW Berlin, eines der führenden, unabhängigen Wirtschaftsforschungsinstitute und Think Tanks in Europa, Professor für Makroökonomie und Finanzwirtschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und Vorsitzender des Sachverständigenausschusses der Bundesregierung zum Thema “Stärkung der Investitionen in Deutschland”.
Professor Filippo Taddei lehrt internationale Finanzwirtschaft und Makroökonomie an der SAIS Johns Hopkins University. Dort ist er auch Direktor des Bologna Institute for Policy and Research (BIPR) und Direktor des Master of Global Risk (MAGR).
Thomas Wieser ist Präsident der Euro-Arbeitsgruppe und des Europäischen Finanzausschusses, der Gruppen von Stellvertretern der Finanzminister der Eurogruppe und des ECOFIN-Rates.
Moderiert von United-Europe-Präsident Dr. Wolfgang Schüssel diskutierten die drei Experten über folgende Fragen: Hat die derzeit fragile deutsche Regierung Konsequenzen für die Verfassung des Euro und der Eurozone? Was ist das absolute Minimum für den Euro, damit er in den nächsten Jahren funktionieren kann? Wie können die europäischen Institutionen zu einer echten Unterstützung der nationalen Reformen und Integration beitragen? Welche Euro-Reform wird in den nächsten Jahren notwendig und möglich sein? Und was wird von Deutschland erwartet
Wieser betonte, dass die Stärkung des Gedankens von Good Governance am wichtigsten sei. „Wir müssen mehr Souveränität teilen, um unsere Unabhängigkeit zu bewahren! Aber man teilt Risiken nur, wenn man ein Mitspracherecht hat.“ Wiesers Erklärung enthüllte das Kernthema der aktuellen Euro-Debatte: Die Einführung einer stabilen Währung in einer multilateralen Union erfordert eine massive Übertragung der Souveränität. Dies geschah nicht, als die Europäische Union den Euro einführte. In der Tat wurde der Euro als eine bequeme, gemeinsame, einheitliche Zahlungsmethode angesehen. Es wurde auch für komfortable Steuertransfers verwendet. Aber in Wirklichkeit hat der Euro eine monetäre Funktion: Um die monetäre Funktion des Euros voll zu entfalten, müssen die Euro-Mitgliedsstaaten die Souveränität auf die Europäische Union übertragen.
Prof. Dr. Fratzscher stimmte zu und betonte: „Ein erfolgreiches Europa braucht keine politische Union, sondern eine geschickte Kombination aus Subsidiarität und Integration.“
Die Idee des Euros wurde zu lange falsch aufgefasst. Die Experten waren sich einig, dass die Euro-Diskussion über die Solidaritätsfragen hinausgehen muss – keine Schuldzuweisungen mehr. Fratzscher betonte, dass eine weitere Konvergenz notwendig sei. „Es ist absolut entscheidend, dass Europa im globalen Wettbewerb mithalten kann.“
Im Publikum wurde die Frage aufgeworfen, wie mit den Herausforderungen aus China und den USA umzugehen sei. Tatsächlich kann Europa nur dann mithalten, wenn es seine Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit erhöht, um eine höhere Produktivität zu erreichen. Spanien hat ernsthafte und schmerzhafte Reformen durchlaufen und verfügt nun über ein Wirtschaftswachstum, das über dem EU-Durchschnitt liegt. Italien und Frankreich bräuchten ähnliche Reformen, aber die Experten sind sehr pessimistisch, was die politische Bereitschaft für künftige Reformen angeht – auch in Frankreich, trotz der Ankündigungen Macrons. Das Publikum bemerkte, dass die Finanzmärkte aufgrund politischer Unsicherheiten spürbar besorgt über die weitere Entwicklung seien.
Professor Taddei traf den Nagel auf den Kopf, als er sagte: „Die entscheidende Frage ist, wie man die europäischen Institutionen zu einer echten Stütze für nationale Reformen und Integration machen kann und nicht zu einem oft weit entfernten Beobachter. Anstatt nach dem Fortbestand des Euro zu fragen, sollten wir uns fragen, wie wir Europa im Bewusstsein der Europäer wertvoll machen können.“
Bei den nationalen Reformen und der europäischen Integration zeigte sich das Publikum sehr besorgt über ein Europa der zwei Geschwindigkeiten. Wieser sagte, ein Europa der zwei Geschwindigkeiten sei die falsche Debatte, denn ein unterschiedliches Europa könne spaltend sein.
Außerdem wurden Emmanuel Marcrons Vorschläge aufgegriffen und diskutiert, darunter die interessante Frage nach dem EU-Haushalt und seiner künftigen Verteilung.
Schüssel schlug mehr Flexibilität für Investitionen und intelligentere Ausgaben vor. Anstatt immer mehr Geld zu verlangen, sollten wir uns lieber auf die effizientere Nutzung der vorhandenen Mittel konzentrieren, sagte er. Außerdem verwies er auf den Monti-Bericht. Dort könne jeder lesen, dass der europäische Binnenmarkt noch nicht vollendet sei. „Wenn mehr Geld benötigt wird, sollten wir uns daran erinnern, dass ein vollständig verwirklichter Binnenmarkt ein Potenzial von 1,5% zusätzlichem Wachstum mit sich bringt.“
Fratzscher fasste zusammen, dass Europa heute an einem Scheideweg steht: „Es hat die einmalige Chance, sich neu zu erfinden, die Union grundlegend zu reformieren und neu zu definieren. Deutschland und Frankreich müssen mehr Verantwortung übernehmen.“