Ich bin Teil einer Generation, die Europa wirklich lebt. Für uns ist es normal, in Helsinki, Barcelona, London, Paris, Warschau oder Bukarest zu leben, zu studieren, zu arbeiten. Für unsere Generation ist Europa einfach Teil der Normalität, gelebter Alltag
Kann man einer Generation zum Vorwurf machen, dass sie etwas als selbstverständlich nimmt, was sie seit ihrem ersten Lebensjahr nur so kennt? Nein. Aber wir müssen uns auch immer wieder bewusst machen, dass wir uns anstrengen müssen, damit es so bleibt. Auch wenn wir es selbstverständlich leben, ist der europäische Zusammenhalt nicht in Stein gemeißelt.
Weil Europa für uns so normal ist, haben wir einen ziemlich nüchternen Blick auf die europäische Einigung. Wir sind anders als die Generation von Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble, die von den Kriegs- und Nachkriegsjahren geprägt wurde. Diese Euphorie, diese Überzeugung, dass man im Zweifelsfall immer für mehr Europa sein muss, haben wir so nicht.
Unsere Generation fragt kritisch, ob wirklich alles auf europäischer Ebene gelöst werden muss. Wollen wir tatsächlich eine „ever closer Union“, ein immer engeres Zusammenwachsen? Oder ist nicht irgendwann der Zustand erreicht, an dem es passt?
Und doch ist für uns ganz klar: auf gar keinen Fall wollen wir, dass Europa auseinanderfliegt. Wir wollen ein Europa, das besser funktioniert als heute, das wirtschaftlich wettbewerbsfähig ist und dessen Abläufe und Mechanismen transparenter und damit akzeptierter sind. Ich wünsche mir ein Europa, in dem keiner mehr – auch nicht die Briten – die grundsätzliche Entwicklung in Frage stellt. Um es kurz zu fassen: ein Europa, das so selbstverständlich geworden ist, dass man es auch kritisieren kann.