Der Präsident des russischen Energie-Konzerns Rosneft, Igor Sechin, hat in Berlin für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit geworben und zugleich vor Sanktionen gegen den Energiesektor gewarnt. Russland habe die tiefe Krise in der Ukraine nicht verursacht, erklärte Sechin bei einer Veranstaltung von United Europe und der Deutschen Energie-Agentur (dena) am 20. Juni. In seiner Erwiderung auf Sechin rief der frühere stellvertretende Kanzleramtsminister Horst Teltschik Russland dazu auf, zur Befriedung der Ukraine beizutragen und vor allem den Waffenschmuggel über die Grenze zwischen Russland und der Ost-Ukraine zu verhindern.
Auch angesichts der Ukraine-Krise hat Igor Sechin, der Präsident des russischen Energiekonzerns Rosneft, die Chancen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Deutschland herausgestellt. Bei einer Veranstaltung von United Europe und der Deutschen Energie-Agentur (dena) am 20. Juni in Berlin sagte Sechin, der Investitionsbedarf in Russland sei immens. Allein im Stromnetz werde er auf etwa 100 Milliarden Euro geschätzt. Auch Gazprom plane beispielsweise Investitionen von 40 Milliarden Euro im Jahr. Zugleich warnte Sechin vor der Verhängung von Sanktionen im Energiebereich.
Die russischen Investitionen in Deutschland beliefen sich auf etwa 20 Milliarden Euro, sagte Sechin weiter. 300.000 Arbeitsplätze in Deutschland hingen davon ab, darunter allein 5000 bei Unternehmen, die mit Rosneft zusammenarbeiteten. Mit Beteiligungen an Raffinerien, Pipelines und Terminals gehöre Rosneft zu den größten Investoren in Deutschland. Berücksichtige man Mehrwertsteuer und Mineralölsteuer, komme Rosneft für etwa ein Prozent des deutschen Haushalts auf.
Sechin, der auch Leiter der Sonderkommission des Präsidenten der Russischen Föderation für die Entwicklung der russischen Energiewirtschaft ist, gilt als enger Vertrauter von Präsident Wladimir Putin. Die USA haben deswegen Sanktionen gegen ihn verhängt; dieser Maßnahme schloss sich die Europäische Union jedoch nicht an. Sowohl die USA als auch die Europäische Union drohen Russland aber wegen der Ukraine-Krise mit Wirtschaftssanktionen.
„Russland ist der größte Lieferant von Öl und Gas nach Europa“, sagte Sechin in seinem Vortrag vor deutschen Wirtschaftsführern und Politikern. Die staatlichen Reserven der europäischen Länder reichten nur für fünf Monate. Ein Lieferverbot für russisches Öl würde dazu führen, dass sich die Energiekosten um mindestens 7,5 Milliarden Dollar verteuerten. „Ich rufe Sie auf, gründlich darüber nachzudenken, was passiert, wenn Sanktionen auch die Energiewirtschaft betreffen“, sagte Sechin. „Alle werden die Rechnung bezahlen müssen. Millionen von Menschen in den Konflikt hineinzuziehen, halte ich für falsch.“
In der Diskussion wies Sechin jede Verantwortung Russlands für die Krise in der Ukraine zurück. „Russland hat nichts unternommen, um diese tiefen Krisen in der Ukraine zu verursachen. Uns dafür verantwortlich zu machen, ist ungerecht“, sagte Sechin. „Ich hoffe, dass wir jetzt objektiver an die ganze Sache herangehen. Wir müssen die bilateralen Beziehungen pflegen und konkrete Projekte umsetzen.“ Er fügte hinzu, dass Russland nicht daran interessiert sei, dass der Konflikt weitergehe.
„Es gibt große Sorgen um die aktuelle Situation in der Ukraine“, sagte der frühere stellvertretende Kanzleramtschef Horst Teltschik, der die Erwiderung auf Sechins Rede hielt. Er selbst halte nichts von Sanktionen. Auch das Gerede von einem neuen Kalten Krieg halte er für falsch. „Die Frage ist, wie können wir die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland, zwischen der EU und Russland und dem Westen insgesamt und Russland neu ordnen, wieder verbessern und zu einer gut funktionierenden Partnerschaft zurückkehren?“
Als erste Priorität nannte Teltschik, der der wichtigste außenpolitische Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl war, die Befriedung der Ukraine. Vor allem die Beruhigung der Lage in der Ost-Ukraine sei die schnellste Maßnahme, um die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen wieder in Gang zu setzen. „Nur Russland kann die Grenze zwischen der Ukraine und Russland sicher bewachen“, sagte Teltschik bei der Veranstaltung im Würth Haus Berlin.
Teltschik riet zudem dringend dazu, den Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine beizulegen, politische Gespräche aufzunehmen und die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Länder wieder zu beleben. „Wenn eine Beruhigung der Situation in der Ukraine eintreten würde, Herr Sechin, hätte sich vieles an Problemen zwischen Russland und Deutschland erledigt“, sagte er.
Zu den wesentlichen Grundsätzen guten Managements gehöre es zu deeskalieren, sagte Jürgen Großmann, Mitglied des Vorstands und Schatzmeister von United Europe. „Gespräche sind besser als Ausgrenzung“, fügte er hinzu. Stephan Kohler, Geschäftsführer der dena, sagte ebenfalls, Gesprächsformate seien nicht für gutes Wetter da, sondern wenn die Krise da sei.
Fotografie: Ina Fassbender
United Europe e.V. dankt der Würth Group für die großzügige Unterstützung der Veranstaltung mit Dr. Igor Sechin und Professor Horst Teltschik im Würth Haus Berlin. In einem Kommentar stellte Manfred Kurz, der Berliner Repräsentant der Würth-Gruppe, die Sicht seines Unternehmens dar.