Niemand weiß, wo oder wann sich der Wert des Euro gegenüber stärkeren Weltwährungen wie dem amerikanische Dollar stabilisieren wird. Es gibt allerdings Vorteile für in Europa ansässige Unternehmen, die nach Amerika und Asien exportieren. Der Wertverlust des Euro gegenüber anderen Währungen verschafft ihnen einen klaren Wettbewerbsvorteil, um die Beschäftigung zu erhöhen, allerdings werden Kompetenz, Motivation und Initiative Schlüsseltalente in der Arbeitswelt bleiben.
Der Eurowechselkurs könnte in den nächsten paar Wochen weiter an Boden verlieren. Sind dies nun gute oder schlechte Nachrichten und was bedeutet es für die europäischen Unternehmen? Für Unternehmen, die sich dazu entschieden haben auf Zeit zu spielen, vor der globalen Konkurrenz zurückzuweichen und die versucht haben durch Subventionen und wohlwollende Regelungen Hilfe zu erlangen, wird sich nicht viel ändern. Im Gegensatz dazu werden Global Player, die trotz der europäischen Stagnation, der Versuchung widerstanden haben, ihren Standort in Niedrigkosten- und Niedrigproduktivitätsländer zu verlagern, und die sich an der technologischen Erneuerung beteiligt haben, bedeutende Früchte in Form höherer Gewinne und wachsender Expansionsmöglichkeiten auf den Weltmärkten ernten. Während ein schwacher Euro neue Unternehmer dazu ermuntern wird auf der Bildfläche zu erscheinen, wird der Euro eine zunehmende Schwankungsänfälligkeit erleben, anstatt eines weiteren starken Wertverlustes.
DER EURO verliert weiterhin an Stärke. Allein im vergangenen Jahr ist er um fast 18 Prozent gegenüber dem amerikanischen Dollar gefallen.
Vor weniger als einem Jahr stand sein Wechselkurs zum Dollar nahe bei 1,40, im September 2014 war er dann bereits auf 1,25 gefallen. Heute liegt er bei ungefähr 1,15.
Es scheint so, als ob jegliche Art von Nachricht als Entschuldigung herangezogen wird, um Euro zu verkaufen und US-Dollar zu kaufen.
Die amerikanische Wirtschaft befindet sich in einer viel besseren Verfassung als die Eurozone. Die Geldpolitik in Europa legt kaum Grenzen fest für die Menge an Euro, die die Europäische Zentralbank in Umlauf bringt – weitere 500 Milliarden Euro sind bereits auf dem Weg. Politische Spannungen bestärken die Anleger, nach traditionell sicheren Währungen wie dem Dollar Ausschau zu halten und selbst die plötzliche Aufhebung der Deckelung des Schweizer Frankens am 15. Januar 2015 veranlasste die Investoren massive Euroverkäufe zu tätigen und sich auf die schweizerische Währung zu stürzen.
Schwierige Zeiten
Insgesamt gesehen lässt es sich nicht leugnen, dass der Euro schwierige Zeiten durchmacht. Niemand weiß, wann er sich stabilisieren wird.
Die politischen Entscheidungsträger in Europa bedienen sich des Euro, um politische Probleme notdürftig zu reparieren, wie etwa überschuldeten Ländern mit Rettungsaktionen zu helfen, und auch Strukturmängeln wie niedrigem Wachstum zu begegnen.
Die Ergebnisse sind zweifelhaft, und das Image des Euro ist bestenfalls trübe. Es ist schwierig Vorhersagen zu treffen, solange der Euro weiterhin politischen Zwecken dient. Die Wahlen in Griechenland am 25. Januar werden einer weiteren Episode dieser Serie Nahrung geben und wahrscheinlich noch eine Verkaufswelle bei der Eurowährung auslösen.
Die Schwäche des Euro signalisiert, dass sich das kontinentale Europa in schlechter Verfassung befindet, sowohl vom wirtschaftlichen als auch vom politischen Standpunkt aus betrachtet.
Niedrigere Kosten
Man kann darüber debattieren, ob die EZB und die Europäische Kommission das Richtige tun, um die Ursprünge der Krise zu beheben. Es bestehen kaum Zweifel, dass die meisten Länder der Eurozone schwierige Zeiten durchmachen, und dass das Ende des Tunnels noch immer nicht in Sicht ist.
Die Schwäche des Euro ist mehr ein Symptom – wahrscheinlich ein Opfer – als eine Ursache. Aber eine schwache Währung hat Konsequenzen. Sie veranlasst Individuen dazu, ihr Verhalten zu revidieren und Unternehmen, ihre Pläne zu ändern. Neue Szenarien könnten folgen.
Die sichtbarste Folge des schwachen Euro ist der Vorteil, den europäische Hersteller erlangen, die große Teile ihrer Produktion außerhalb der Eurozone – in erster Linie in Asien und Nordamerika – verkaufen. Ein schwacher Euro bedeutet niedrigere Kosten und höhere Einnahmen für diese Unternehmen, unabhängig von der Deflation.
Der Binnenmarkt
Mit anderen Worten belohnt der schwache Euro die Unternehmen, die sich dafür entschieden haben, die Krise durch die Erhöhung ihrer Produktivität im Inland zu meistern, anstatt ihren Standort in Niedrigkostenländer zu verlagern, und indem sie sich an der globalen Konkurrenz beteiligten, anstatt sich hinter regionalen Handelsbarrieren zurückzuziehen.
Für diejenigen, die defensiv spielten und ihre Produktion auf andere Kontinente verlagerten, während sie die Vermarktung auf dem Binnenmarkt im Auge behielten, sieht die Situation weniger rosig aus.
Für diese Unternehmen werden die in Euro angegebenen Kosten steigen, während ihre Verkäufe ungefähr gleich bleiben werden.
Drei Lehren können aus dem Wertverlust des Euro gezogen werden.
Lieber zweimal überlegen
Erstens belohnen die Märkte diejenigen, die gemäß den Spielregeln des freien Markts spielen – diejenigen also, die auf die Wettbewerbsherausforderung antworten, indem sie ihre Leistungen durch bessere Produkte und erhöhte Produktivität verbessern, statt dass sie nach speziellen Privilegien, wie wohlwollenden Regulierungen und Subventionen suchen.
Zweitens ist eine Verlagerung oftmals verführerisch, aber es kann eben auch gefährlich sein. Entwicklungsländer bieten niedrige Arbeitskosten und vielleicht weniger drückende und leichter zu handhabende Ordnungsrahmen. Wenn jedoch ausländische Investitionen in diese Länder fließen und die Produktivität wächst, steigen auch die Kosten vor Ort, entweder weil sich die Preise der Einsatzfaktoren erhöhen, oder weil der Wechselkurs der Landeswährung an Wert gewinnt.
Ein Standortwechsel macht Sinn, solange es offensichtliche und andauernde Ungleichgewichte in dem Land gibt, in das man sein Unternehmen verlagern will. Aber man sollte es sich diesen Schritt schon zweimal überlegen, falls man glaubt, dass die Ungleichgewichte nur vorübergehender Natur sind.
Die Lektionen lernen
Immer um die Welt zu jagen, auf der Suche nach diesen Volkwirtschaften, die sich im Ungleichgewicht befinden, und dann alle sechs oder sieben Jahre den Standort zu wechseln, könnte äußerst kostspielig sein.
Drittens sollten die Unternehmen den indirekten Auswirkungen des Konjunkturzyklus mehr Aufmerksamkeit schenken. Die direkten Auswirkungen sind offensichtlich: Sie zeigen sich im Auf und Ab bei der Nachfrage nach den Produkten und Dienstleistungen, die von der jeweiligen Firma bereitgestellt werden. Die indirekten Auswirkungen beziehen sich auf die Veränderungen bei makroökonomischen Variablen.
So wird zum Beispiel ein Wirtschaftsgebiet, das eine schwache Leistung erbringt, wie etwa die Eurozone, voraussichtlich einen Wertverlust bei der Währung erfahren. Dies begünstigt weltweit konkurrenzfähige Akteure, lässt aber die anderen bestenfalls mit einem durchschnittlichen Ergebnis zurück. Ähnliche Argumente gelten für ein Unternehmen, das in einem im Aufschwung befindlichen Kontext angesiedelt ist.
Wie also sollten Unternehmen diese Lehren in die Praxis umsetzen, und was bedeutet all dies für den Durchschnittsmenschen, der um seinen Arbeitsplatz fürchtet oder seine zukünftige Karriere plant?
Ein starker Anreiz
Es ist schwer vorherzusagen, wie weit der Abwärtstrend des Euro noch gehen wird. Aber da es wahrscheinlich ist, dass die Spannungen innerhalb der Eurozone andauern werden, sollten sich die Unternehmen an eine Schwankungsanfälligkeit des Wechselkurses gewöhnen, und aufhören den kurzfristigen Vorteilen einer Abwertung nachzujagen.
Die Geschichte und gute Wirtschaften zeigen, dass Währungsabwertungen der Verschlechterung der Wirtschaftsbedingungen in einer Region folgen – und sie eben nicht begleiten. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet ist es so, als ob man akzeptiert, stets einen Schritt hinten dran zu sein, wenn man den sogenannten kompetitiven Wertverlusten hinterherrennt.
Unternehmen haben heute einen viel stärkeren Anreiz, sich darauf zu konzentrieren, ihre Leistungen in Bezug auf Produktinnovation und technologischen Vorsprung zu verbessern. Der Standort spielt eine Rolle, aber eine Verlagerung zahlt sich nur aus, wenn das neue Land dem Unternehmen bessere Möglichkeiten bietet sich anzupassen und auf die stets neuen Wettbewerbsherausforderungen zu antworten.
In diesem Zusammenhang sind die Schlüsselelemente ein vertretbares Regelwerk an Verordnungen, eine effiziente Bürokratie, ein zuverlässiges Rechtswesen und Vertragsfreiheit. Ausbildung und die Motivation der Arbeitskräfte werden auch eine Rolle spielen.
Eine Veränderung der Vision
Einige Länder in der Eurozone entsprechen solchen Anforderungen. Diese werden eine wachsende Zahl an effizienten und exportorientierten Unternehmen anziehen, die die Hauptnutznießer von möglichen zukünftigen Abwertungen sein werden.
Die Wirtschaften in einigen anderen Ländern der Eurozone sind gekennzeichnet durch Unternehmen, die sich immer mehr Richtung Binnenmarkt orientieren, womöglich abgeschirmt gegenüber ausländischen Mitbewerbern oder um andere Arten von Privilegien oder Unterstützung bittend.
Eine Veränderung der Vision wird dringend benötig.
Die neuen Szenarien für den Euro könnten sicherlich weitere Abwertungen, aber auch Volatilität umfassen. Aus strategischer Sicht wird die Abwertung den Anreiz, den Standort in Niedrigkostenländer zu verlagern, verringern. Jedoch wird die Schwankungsänfälligkeit die Bedeutung eines Umfelds unterstreichen, das geeigneter ist, um sich an langfristigen technologischen Projekten zu beteiligen. In dieser Hinsicht sind die Länder der Eurozone sehr verschieden. Deutschland und Österreich werden sich in den nächsten paar Quartalen besser schlagen, als Italien oder Frankreich.
Beschäftigungsperspektiven
Die Arbeitnehmer in der Eurozone werden den schwachen Euro begrüßen. Die Arbeitsmarktbedingungen werden sich verbessern, und so auch die Beschäftigungsperspektiven. Aber es wird Unterschiede geben.
In schwachen Ländern werden exportorientierte Unternehmen zögern, den Euro auszunutzen, um ihre Aktivitäten zu erweitern. Stattdessen werden sie sich selbst mit einem dringend benötigten, gesteigerten Cashflow zufriedengeben. Der Tourismus wird eine wichtige Ausnahme sein.
In gesünderen Euroländern, in denen die Arbeitslosigkeit moderat ausfällt, werden sich die Arbeits- und Berufsaussichten verbessern, besonders dank neugegründeter Unternehmen.
Die Arbeitnehmer werden allerdings feststellen müssen, dass die Anforderungen, die mit der Wechselkurs-Volatilität und dem weltweiten Wettbewerb einhergehen, die Vorteile aus der Währungsabwertung aufheben. Kompetenz, Motivation und der Sinn für individuelle Verantwortung, die notwendigerweise ein produktives Unternehmertum sowie persönliche Initiative begleiten, werden die Schlüssel zu einer erfolgreichen Karriere sein – und das noch viel mehr als in der Vergangenheit.
Dieser Bericht wurde von Professor Enrico Colombatto verfaßt und wird unseren Mitgliedern mit freundlicher Genehmigung von © Geopolitical Information Service AG, Vaduz zur Verfügung gestellt:
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