Trotz scharfer Kritik an der Euro-Rettungspolitik hat sich der Börsenexperte Wolfgang Gerke nachdrücklich für ein Festhalten an der gemeinsamen europäischen Währung ausgesprochen. In einem Vortrag der Tegernseer Gespräche sagte Gerke, der Euro sei zwar ein teures, aber immer noch extrem lohnendes Investment. „Es sind viele Fehler gemacht worden, aber mit diesen Fehlern werden wir leben müssen“, sagte Gerke. „Ich bleibe trotz allem ein Euro-Euphoriker.“
„Wir leben als Deutsche in der Mitte Europas; wir müssen auch mit dem, was falsch gelaufen ist, lernen zu leben“ sagte Gerke. „Ein Zurück zur alten D-Mark gibt es nicht.“ Der emeritierte Professor für Bank- und Börsenwesen und Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums, sprach vor Unternehmern, Politikern und Mitgliedern von United Europe in der Papierfabrik Louisenthal, einer Tochtergesellschaft von Giesecke & Devrient. Walter Schlebusch, der Vorstandschef von G & D, gehört zu den Gründungs- und Vorstandsmitgliedern von United Europe.
Gerke sagte, der Maastrichter Vertrag, mit dem der Euro begründet wurde, sei insgesamt sehr gut ausgehandelt worden. Allerdings habe er keine hinreichenden Kontrollmechanismen und Sanktionen für Verstöße gegen die haushaltspolitischen Vorgaben enthalten. In den Jahren nach der Einführung des Euro hätten dann Deutschland und Frankreich mit ihrer Defizitpolitik gemeinsam dafür gesorgt, dass der Maastrichter Vertrag zu Makulatur geworden sei.
Kritik am billigen Geld
„Als überzeugter Europäer bin ich desillusioniert von der Haltbarkeit der europäischen Verträge“, sagte Gerke. Die Politik der europäischen Regierungen und der Europäischen Zentralbank zur Rettung der Krisenstaaten sei mit dem Maastrichter Vertrag unvereinbar. Zudem habe sie den Menschen in den Krisenstaaten geschadet. „Wir haben nicht Griechenland, wir haben die europäischen Banken gerettet – und wir haben den griechischen Mittelstand kaputtgemacht“, sagte der Bankenexperte.
Auch die Politik des billigen Geldes der Europäischen Zentralbank habe schädliche Umverteilungswirkungen: Zinsen unterhalb der Inflationsrate schadeten Rentnern und Sparern und nutzten den Gläubigern, in erster Linie also den Staaten Europas mit ihren hohen Schulden. In der Diskussion, die auf Gerkes Vortrag folgte, äußerte sich auch Michael Rüdiger, Vorstandsvorsitzender der Deka-Bank, sehr kritisch zu der Zinspolitik der EZB. Er zeigte sich als Befürworter des Euro, tadelte aber die derzeitige Geldpolitik und das Bestreben, die Europäische Zentralbank zusätzlich noch mit der Aufsicht über die europäischen Banken zu betrauen.
Recht und schlecht durchwurschteln
„Die Euro-Finanzkrise ist kurzfristig abgesagt“, sagte Rüdiger. Von den Wirtschaftsdaten her sähen die Krisenländer inzwischen „sehr ordentlich“ aus. Was jedoch geschehen sei, ist dass die Krise nationalisiert worden sei und zu einer sozialen Krise in den Staaten Südeuropas geführt habe. Stefan Winners, Vorstand bei Hubert Burda Medien für den Bereich Digitales, sprach davon, dass es wenig Alternativen zum Fortbestand des Euro gebe. „Es steht 70 bis 80 Prozent, dass der Euro erhalten bleibt. Bei allen kritischen Momenten sind wir doch Profiteure des Euro.“
Auch Gerke zeigte sich überzeugt, dass es den Euro auch in 20 oder 20 Jahren noch geben werde. Man werde sich eben „so recht und schlecht durchwurschteln“. Als Ziel nannte er einen „atmenden Euro“: Staaten, die die Kriterien gut erfüllten, sollten neu in die Währungsunion aufgenommen werden können, zugleich aber müsse es möglich sein, Krisenstaaten wieder ausscheiden zu lassen.