Während unseres Political Stammtisch in Wien gaben United Europe Präsident Günther H. Oettinger und der ehemalige österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel eine eindringliche Analyse der geopolitischen und wirtschaftlichen Lage Europas. Die Botschaft war klar: Europa befindet sich an einem entscheidenden Wendepunkt, und die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, bestimmen, ob wir in einer sich rasant verändernden globalen Machtordnung relevant bleiben.
1. Eine Welt der gegensätzlichen Systeme
Autoritäre Führer und Diktatoren verfolgen ein gemeinsames Ziel: den Westen zu schwächen—seine demokratischen Werte, seine Freiheiten und seine soziale Marktwirtschaft. Zusammen vertreten sie mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung, und ihr Einfluss wächst.
2. Europas Wettbewerbsnachteile
Die aktuellen Handelsbedingungen zeigen, wie verletzlich die EU geworden ist:
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US-Exporte nach Europa: null Zölle auf zentrale Sektoren wie Chemie und Pharma
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Europäische Exporte in die USA: 15 % Zölle auf Waren sowie bis zu 50 % auf Stahl, Kupfer und andere Halbprodukte
Und Europa hat dem zugestimmt.
Gleichzeitig werden 90 % der kritischen Rohstoffe von China kontrolliert, und nahezu die gesamte globale Raffineriekapazität befindet sich in chinesischer Hand.
Die Konsequenz:
„Wir sind nicht mehr wettbewerbsfähig, nicht mehr relevant. Wir haben keine Macht.“
Die Prioritäten Europas für die kommenden Jahre müssen sich daher auf zwei wesentliche Punkte konzentrieren:
Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit.
3. Europäische Stärke und strategischer Fokus
In einer Welt, geprägt von Trump, Xi Jinping, Putin und aufstrebenden Machtblöcken, muss Europa seine Kräfte bündeln und stärkere Kompetenzen auf europäischer Ebene aufbauen. Künftige Generationen werden fragen, was wir an diesem Wendepunkt getan haben.
Doch heute wird Europa von übermäßiger Bürokratie belastet—zum Nachteil von KMU, multinationalen Unternehmen und Innovationsökosystemen.
Um Lösungen zu finden, müssen wir zunächst das große Ganze erkennen.
4. Ein Weckruf: Langsame Fortschritte, echte Chancen
Europa stagniert wirtschaftlich seit 2015. Doch der Weckruf—ausgelöst durch Krieg, geopolitische Spannungen und Schocks in den Lieferketten—zeigt erste Wirkung:
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Europa erhöht seine Verteidigungsbudgets
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Die NATO-Zusammenarbeit unter den großen Akteuren ist stärker als zuvor
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Eine kompetente neue EU-Verteidigungskommissarin koordiniert die Maßnahmen
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Das Bewusstsein für Verwundbarkeiten in der Lieferkette wächst
Die kritischen Prioritäten liegen klar auf der Hand: Rohstoffe, Halbleiter, pharmazeutische Resilienz, KI, Raumfahrttechnologie und sichere Cloud-Infrastruktur.
Diese Bereiche bieten reales Wachstumspotenzial—Pharma und Deep Tech entwickeln sich bereits zu Innovationsmotoren. Doch Europa muss schneller werden.
5. Innovation als Europas Lebensader
Um seine Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen, muss Europa:
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Innovatoren, Forschende, Universitäten und Deep-Tech-Unternehmen umfassend unterstützen
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Einen echten europäischen Kapitalmarkt schaffen, einschließlich eines offenen kapitalgedeckten Rentensystems
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Bürokratische Hürden abbauen
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Vertrauen in die junge Generation und ihre unternehmerischen Fähigkeiten stärken
6. Den Status quo überwinden
Im Zentrum der Diskussion stand eine prägnante Botschaft von Wolfgang Schüssel:
„Wir lieben den Status quo—und der Status quo ist inzwischen die größte Gefahr.“
Europa muss sich entscheiden:
ein bequemes, aber absteigendes System bewahren oder die schwierigen Reformen angehen, die notwendig sind, um ein starker demokratischer Akteur in der Welt zu bleiben.

