Zum vierten Mal fand am 3. und 4. Juni 2025 die European Economic Conference (EEC) statt, die im Jahr 2022 von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), der European School of Management and Technology (ESMT) sowie United Europe ins Leben gerufen wurde. In diesem Jahr hatten sich über 300 Entscheiderinnen und Entscheider aus Wirtschaft und Politik zur Teilnahme angemeldet – die EEC wächst weiter und entwickelt sich zunehmend zu einem bedeutenden Treffpunkt für all jene, die die politische und wirtschaftliche Zukunft Europas mitgestalten möchten.
Rund 40 Sprecherinnen und Sprecher sowie Impulsgeberinnen und Impulsgeber diskutierten in 15 Reden und Diskussionsrunden darüber, wie der Wirtschaftsstandort Europa sicher und nachhaltig wachsen kann – und mit welchen Initiativen Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft gestärkt werden können.
Nach den Begrüßungsreden von Gerald Braunberger (Herausgeber Frankfurter Allgemeine Zeitung) und Jörg Rocholl (Präsident der ESMT), die in diesem Jahr gemeinsam mit Günther H. Oettinger (Präsident United Europe, e.V.) die 2-tägige Konferenz eröffneten, diskutierten Wirtschaftsführer und Politiker zu aktuellen europäischen Themenschwerpunkten, darunter Karan Bhatia, Global Head Government Affairs & Public Policy, Google, Andrea Casaluci, CEO, Pirelli, Dr. Markus Krebber, CEO, RWE AG, Prof. Reinhold R. Geilsdörfer, Geschäftsführer, Dieter Schwarz Stiftung gGmbH, Marzena Czarnecka, Industrieministerin, Republik Polen, Jens Spahn, Fraktionsvorsitzender, Bundestagsfraktion CDU/CSU und Andreas Mundt, Präsident, Bundeskartellamt. Von United Europe waren zwei Vertreter von Firmenmitgliedern, Hugh Elliott, Executive Chairman, Iberdrola Energía Internacional und Dr. Laura Hirvi, Public Policy Manager DACH, Meta, vor Ort.
Den vollständigen Rückblick auf die EEC können Sie auf der Website der EEC hier sehen.

Europa ist wirtschaftlich ein Riese, politisch ein Zwerg und militärisch ein Wurm
konstatierte bereits 1991 der belgische Premierminister Marc Eyskens. An diese Einschätzung knüpfte Gerald Braunberger, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), in seiner Eröffnungsrede an. Er warnte: Europa droht nicht nur wirtschaftlich hinter die USA zurückzufallen – es fehlt vor allem an einer umfassenden Grand Strategy, die wirtschaftliche, politische und militärische Ziele definiert und aufeinander abstimmt. Die Defizite der Europäischen Union sind im Vergleich zu den Vereinigten Staaten unübersehbar – sowohl beim Pro-Kopf-Einkommen als auch bei der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Doch der Rückstand zeigt sich auch auf einem anderen, hochmodernen Terrain: dem Weltraum. Von weltweit rund 10.000 betriebsfähigen Satelliten entfallen etwa 7.600 auf Starlink, das Satellitennetzwerk von Elon Musk. Das Unternehmen hat bereits Genehmigungen für weitere 20.000 Satelliten erhalten. Im Gegensatz dazu kämpft die europäische Raumfahrtagentur mit ihrem Projekt Iris 2, das lediglich 300 Satelliten in den Orbit bringen soll – ein symbolischer Wert im Vergleich zu den Ambitionen anderer globaler Akteure.
Europa steht damit vor einem tiefgreifenden Wandel – und dieser fällt schwer. Braunberger bringt es auf den Punkt: „Wenn wir ehrlich sind, verändern wir uns nur unter Druck. Die Wahlergebnisse der letzten Jahre hätten bereits genug Druck erzeugen müssen. Doch heute stehen wir zusätzlich unter dem Druck dreier älterer Herren, die nicht in Europa ansässig sind: Donald Trump, Wladimir Putin und Xi Jinping. Ob es ausreicht, wenn der Staat einfach Geld ausgibt, ohne strategische Antworten zu liefern, bleibt fraglich.“
Einer der Gründerväter der EU und Europavisionär Jean Monnet hatte einst vorausgesagt, Europa werde sich in der Krise formen, und die Summe der Lösungen werde das Europa der Zukunft prägen. Eine treffende Beobachtung – doch schnelle Antworten auf unvorhergesehene Krisen bleiben häufig bloße Improvisation. Und Improvisation ist das Gegenteil von Strategie.
Was Europa jetzt braucht, ist ein offener, öffentlicher Dialog über strategische Fragen – ein Aufruf, der sich gleichermaßen an Politik, Medien und die Zivilgesellschaft richtet.
Gerald Braunberger, Herausgeber der Frankfurter Allgemeine Zeitung

Welche Chancen Trump den Europäern bietet
erörtete Günther H. Oettinger (Präsident von United Europe e.V.) u. a. in seiner Eröffungsrede. Zwischen einem irrationalen, dominanten Präsidenten in Washington D.C. und einem rationalen, superdominanten Diktator in Peking kann Europa jetzt Vertrauen zurückgewinnen. Denn Trump verliert Vertrauen – und gewinnt es nicht mehr zurück. Sein Handelskrieg, sein Wirtschaftskrieg, die täglich wechselnden Zölle – sie verunsichern Investoren, verschrecken Marktteilnehmer und schaden den USA mehr als jeder anderen Region der Welt. Die Umarmung und gleichzeitige Erpressung durch China beunruhigt zudem viele in der arabischen Welt, in Afrika und anderen Regionen. Jetzt könnte die Stunde Europas schlagen: als sicherer Hafen für Kapital, Investitionen, als verlässlicher Partner im internationalen Recht – wenn die Voraussetzungen geschaffen werden, wir handlungsfähig sind und unsere Spielräume für die großen Fragen nutzen.
Mercosur? Auch in Berlin wird das Handelsabkommen kritisch gesehen, in Frankreich, Österreich und Polen abgelehnt. Ist ein Abkommen möglich, ohne dass Europa Lateinamerika bevormundet oder dominieren will? Wenn nicht, verpassen wir eine herausragende Chance. Weitere Handelsabkommen – mit den Emiraten, mit Indien, Australien – sind möglich. Türen öffnen sich, wenn man sie auf der Basis klarer rechtlicher Rahmenbedingungen definiert. Handel muss jetzt Priorität der Europäischen Union werden.
Warnung vor dem „Liz-Truss-Effekt“
Ich glaube, dass das, was mit Liz Truss in Großbritannien geschah, auch in Washington passieren könnte. Die USA zahlen inzwischen für die Zinsen auf ihre Schulden – ohne Tilgung – mehr als für Verteidigung oder Gesundheit. Auch in Deutschland leben wir über unsere ökonomischen Verhältnisse. Pflege, Gesundheit, Rente – ein Subventionsloch ohnegleichen. Die große Gefahr besteht darin, dass die großen Subventionsprogramme dringend notwendige Reformen aufschieben. Wenn Deutschland in Haushaltsfragen nicht seriös bleibt, werden andere Länder wie Estland, Litauen, Lettland, Irland, die Niederlande und Österreich auch nachlassen. Der Druck zum Schuldenmachen steigt – und dann gerät die Eurozone in Lebensgefahr. Der Liz-Truss-Effekt.
Big in Big Things – Konzentration auf das Wesentliche
Europa sollte sich auf die großen Aufgaben konzentrieren: Big in Big Things. Die Mitgliedsstaaten, Regionen, Kommunen, Wirtschaft und Arbeitswelt sollten bei kleineren Fragen mehr Freiheit bekommen. Wir haben einen AI Act – aber keine AI. Wir haben ein Lieferkettengesetz – aber keine seltenen Erden – Europa ist überreguliert. Vor sechs Jahren versprach man: „One in, one out“. Ergebnis: „Four in, one out“. CSRD, CSDDD, Taxonomie, Datenschutz-Grundverordnung – weniger wäre mehr. Ich hoffe, dass die Chance Europas, ein vertrauenswürdiger Hafen zu werden, dazu führt, Prioritäten zu setzen: Innovation, Infrastruktur, Forschung, äußere Sicherheit, Standardisierung der Verteidigung, Cybersicherheit, Europol. Und bei kleineren Aufgaben: Zurückhaltung. Die Menschen, die Entwicklungsregionen, die Kommunen – sie alle brauchen Luft zum Atmen. Weniger wäre viel mehr.
Verteidigung: Ernst der Lage erkennen
Ein US-Botschafter sagte mir kürzlich: „Ihr könnt doch nicht auf Dauer erwarten, dass 340 Millionen Amerikaner 550 Millionen Europäer vor 140 Millionen Russen schützen.“ Die Zahlen sprechen für sich: Allein das BIP Deutschlands liegt bei ca. 4.500 Milliarden Euro – deutlich mehr als das von Russland mit ca. 2.900 Milliarden. Die EU insgesamt: 17.000 Milliarden. Wenn wir wirklich verteidigungsfähig werden wollen – dann könnten wir es. Meine Sorge: Mit Schulden kann man Waffen kaufen – aber es fehlen Menschen, die sie bedienen. Stichwort: Wehrpflicht. Wie wird die Bundeswehr attraktiv für die junge Generation? Mit Einstiegs- und Aufstiegschancen, spannenden Arbeitsfeldern, echten Karriereaussichten?
Die Zeitenwende muss aus der Kaserne raus – auf den Marktplatz, in den Alltag, an den Stammtisch, in die Arbeitswelt. Wir haben den Ernst der Lage noch nicht erkannt. Ein Gespräch mit Esten, Letten, Litauern, Finnen oder Polen könnte helfen.
Die vollständigen Eröffungsreden können Sie hier sehen.

Nachhaltigkeit und Grüne Wirtschaft
Panel-Diskussion: Die Zukunft der Energie- und Ressourcenversorgung in der EU – Was muss sich ändern?
Mit Hugh Elliott, Executive Chairman, Iberdrola Energía Internacional, Dr. Markus Krebber, CEO, RWE AG, Dr. Yun Luo, Mitgründerin und CEO, ROSI SAS, Benjamin Merle, CPO, Enpal GmbH Moderation: Dr. Christian Geinitz, Wirtschaftskorrespondent der F.A.Z.
Christian Geinitz: Frau Luo, Sie spielen in der Solarindustrie eine wichtige Rolle. Solartechnik gilt als grün und nachhaltig, andererseits benötigt diese Technologie viele Ressourcen und Rohstoffe, und auch die Entsorgung ist nicht ganz trivial. Wie tragen Sie zur nachhaltigen Solarwende bei?
Dr. Yun Luo: Tatsächlich beschäftigen wir uns bei Rosy mit genau diesem Thema (Rückgewinnung von Silizium). Silizium ist das wichtigste Material in Solarzellen. Wir haben eigene Technologien entwickelt, um diese hochreinen Rohstoffe zu recyceln und wieder aufzubereiten.
Christian Geinitz: Herr Merle, ist dieses Angebot, das Rosy bietet, für Enpal, einen der großen Anbieter von Solaranlagen, interessant? Kann man schon Material einsetzen, dessen Ressourcen wiederverwendet wurden?
Benjamin Merle: Kurzfristig sehe ich noch wenige Angebote, die wirtschaftlich interessant sind, auch weil der Preis neuer Module momentan extrem günstig ist. Doch wenn wir langfristig unabhängig werden wollen, stellt sich die Frage, wie wir die Rohstoffe im Land halten können. In diesem Zusammenhang sind Recycling-Anlagen die „Minen der Zukunft“.
Christian Geinitz: Müssten die Entsorgungskosten nicht auf die Preise der heute so kostengünstigen Solarpanels draufgeschlagen werden?
Benjamin Merle: Das ist richtig. Es gibt viele Kosten, die noch internalisiert werden müssten. Ein Teil der Kosten wird bereits von den Entwicklern getragen, da sie Verpflichtungen haben, die Anlagen abzubauen und zu recyceln. Es gibt schon heute entsprechende Vorgaben.
Christian Geinitz: Herr Elliott, Sie treiben mit Ihrem Unternehmen den Vertrieb von erneuerbaren Energieanlagen voran. Als ehemaliger Botschafter haben Sie auch einen politischen Zugang zu diesem Thema, was sicherlich wichtig ist. Was trägt Ihr Unternehmen zur Energiewende bei?

Hugh Elliott: Wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, müssen wir zu den grundlegenden Prinzipien zurückkehren und verstehen, was Nachhaltigkeit eigentlich bedeutet. In unserer Branche geht es vor allem um die Elektrifizierung. Iberdrola hat vor rund 20 Jahren den Schritt in die erneuerbaren Energien gewagt und sich von einem traditionellen Energieversorger zu einem führenden Anbieter grüner Energie entwickelt. Heute sind wir der größte Energieversorger in Europa nach Marktkapitalisierung und verwalten etwa 140 Milliarden Euro an Vermögenswerten. Wir erzeugen und verteilen erneuerbare Energie in acht bis neun europäischen Ländern und spielen eine aktive Rolle in der Energiewende – mit dem Ziel, noch mehr zu tun.
In Deutschland betreiben wir den größten Offshore-Windpark der Ostsee, der eine Erzeugungskapazität von fast 800 GW umfasst. Aber wir sind noch lange nicht am Ende: Wir haben großes Interesse daran, unsere Aktivitäten weiter auszubauen. Unsere Vision ist es, mit erneuerbarer Energie aus Europa eine verlässliche Versorgungssicherheit zu schaffen und zugleich einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Dabei erbringen wir nicht nur eine nachhaltige Lösung, sondern auch echte Wettbewerbsfähigkeit. Wir werden nicht mehr auf den Import von Gas oder fossilen Brennstoffen angewiesen sein – wir erzeugen die Energie, die wir benötigen, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint. Diese erneuerbaren Ressourcen gehören uns.
Christian Geinitz: CCS (Carbon Capture and Storage, CO2-Abscheidung und Speicherung) für Kohle ist nicht in Sicht?
Markus Krebber: Ich glaube nicht, dass jemand auf die Idee kommt, CCS bei Kohlekraftwerken oder Gaskraftwerken zu installieren. Warum? Die Auslastung dieser Anlagen wird immer weiter abnehmen. Schlussendlich wird die Auslastung so gering sein, dass auch die Emissionen keine große Rolle spielen. Am Ende sind diese Kraftwerke nur noch das Backup, wenn mal nicht genug Wind und Sonne da sind.
Christian Geinitz: Zur Versorgungssicherheit: In Spanien und Portugal gingen die Lichter aus. Woran lag das? Sind die Erneuerbaren schuld, wie manche sagen?
Hugh Elliott: Der Vorfall in Spanien wurde nicht durch erneuerbare Energien verursacht. Technisch gesehen ist es durchaus möglich, ein Stromnetz vollständig mit erneuerbaren Energien zu betreiben, aber dafür muss das Netz entsprechend ausgelegt sein. Auf nationaler Ebene ist das eine sehr komplexe Aufgabe. In unseren Ländern gibt es Organisationen, die für den Betrieb der Netze verantwortlich sind und dafür sorgen, dass die Stromversorgung gewährleistet bleibt.
Was wir bisher noch nicht ausreichend thematisiert haben, ist, dass die Netze zunehmend zum Flaschenhals für die Energieversorgung werden. In vielen Ländern haben wir bereits einen hohen Anteil an erneuerbaren Energien, aber das erfordert auch umfangreiche Investitionen in die Netzinfrastruktur. Diese Investitionen sind oft weniger im Rampenlicht als die Erzeugung erneuerbarer Energie, die grün und nachhaltig klingt. Netze hingegen werden von vielen als bloße Kabel und Drähte wahrgenommen, die niemand direkt neben sich haben möchte. Doch ohne Netze können wir das Licht nicht mit sauberer und bezahlbarer Energie versorgen.
Deshalb ist es entscheidend, dass wir mehr in die Netzinfrastruktur investieren und die Interkonnektivität zwischen den Ländern ausbauen. Europa geht in die richtige Richtung, der politische Rahmen dafür ist vorhanden, aber wir brauchen noch deutlich mehr Investitionen in die Netze und deren Vernetzung, um die Kosten zu senken und die Energieversorgung langfristig zu sichern.
Die vollständige Paneldiskussion können Sie hier sehen.
Lösungen für Europa: Technologie und Innovation

Eine europäische Antwort auf die Herausforderungen von Technologie und Innovation muss selbstbewusst, strategisch und langfristig gedacht sein. Sie darf sich nicht mit reaktiven Maßnahmen zufriedengeben, sondern sollte darauf abzielen, eigene technologische Ökosysteme aufzubauen – wirtschaftlich tragfähig, ethisch fundiert und geopolitisch souverän. Wie solche Lösungen aussehen könnten, haben Dr. Laura Hirvi, Public Policy Manager DACH, Meta (hier können Sie Frau Dr. Hirvis Beitrag sehen), Prof. Reinhold R. Geilsdörfer, Geschäftsführer, Dieter Schwarz Stiftung gGmbH, Roman Hölzl, Mitgründer & CEO, RobCo GmbH und Daniel Krauss, Mitbegründer & CIO, Flix SE skizziert.
Prof. Reinhold R. Geilsdörfer, Geschäftsführer, Dieter Schwarz Stiftung gGmbH
unterstrich, dass unsere klassischen Industrien zunehmend unter Druck geraten: Die Autoindustrie und der Maschinenbau kämpfen mit neuer Konkurrenz, während die Metall- und Chemiebranche unter den hohen Energiepreisen leidet. Es ist unübersehbar: Wir befinden uns mitten in der vierten industriellen Revolution – einem tiefgreifenden Wandel, der nahezu alle Lebensbereiche erfassen wird.
Die entscheidende Frage lautet: Wie können wir aus der aktuellen Stagnation herauskommen? Und vor allem – wo liegen unsere Chancen in Europa und Deutschland?
Zukunftsfelder mit großem Potenzial:
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Robotik
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Verteidigungstechnologie
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Quantencomputing
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Energiespeicherung
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Biotechnologie und Pharma
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Neue Mobilitätskonzepte
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Halbleitertechnologie
All diese Bereiche basieren auf Schlüsseltechnologien wie künstlicher Intelligenz, Datenverarbeitung und Cloud-Infrastruktur – Technologien, die längst zur Grundlage unseres modernen Lebensstandards geworden sind.
Doch gerade hier stehen wir Europäer vor einer wegweisenden Entscheidung: Wollen wir zentrale digitale Infrastrukturen – etwa Clouds von Microsoft, Amazon oder Google – dauerhaft in die Hände nicht-europäischer Staaten legen? Diese Frage ist umso relevanter, da in diesen Ländern oft andere Vorstellungen von Datenschutz und informationeller Selbstbestimmung herrschen.
Wir müssen uns bewusst machen, wo unsere Daten gespeichert werden – und wer letztlich Zugriff darauf hat. Noch immer sind wir in vielerlei Hinsicht eine Datenkolonie, die ihre Informationen nahezu kostenlos an große US-Konzerne abgibt. Digitale Souveränität ist daher kein abstraktes Ziel, sondern der Schlüssel zu echter Unabhängigkeit und nachhaltiger Entwicklung in Europa.
Europa hat mit seinen 450 Millionen Menschen ein enormes Potenzial – deutlich mehr als die 170 Millionen der USA. Es ist Zeit, dieses Potenzial zu nutzen. De-Risking ist längst nicht mehr nur eine Frage im Umgang mit China, sondern betrifft auch unsere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Das bedeutet nicht, dass wir den Handel oder die Zusammenarbeit aufgeben sollen – im Gegenteil. Aber wir müssen sie auf Augenhöhe gestalten.
Nur wenn wir die Kontrolle über unsere digitalen Schlüsseltechnologien zurückgewinnen, können wir Europas Zukunft selbstbestimmt und erfolgreich gestalten.
Die vollständige Rede können Sie hier sehen.
Daniel Krauss, Mitbegründer & CIO, Flix SE
erklärte, dass die Vision Von Flix SE von Beginn an klar war: Wir wollen Mobilität in Europa günstig, nachhaltig und zugänglich gestalten. Den entscheidenden Impuls gab damals die gesetzliche Liberalisierung des Fernbusmarkts – ein politischer Schritt, der nicht nur in Deutschland, sondern in 43 Ländern Bewegung auslöste und sogar die Expansion in die USA ermöglichte, etwa durch die Übernahme von Greyhound.
Was Flix von anderen unterscheidet, ist unser Plattformmodell: Wir kombinieren die unternehmerische Energie mittelständischer Busunternehmen mit digitaler Technologie, intelligenter Planung und effizientem Vertrieb. Der Erfolg wurde auch durch die schnelle Umsetzung europäischen Rechts in deutsches Gesetz möglich – ein Beispiel für unternehmerische Chancen durch kluge Politik.
Wir haben auf unternehmerischen Mut gesetzt: Statt alles selbst zu betreiben, haben wir mit regionalen Busunternehmen ein Netzwerk aufgebaut, das über bisherige Wachstumsgrenzen hinausging. Es entstand ein flächendeckendes System, das auf Kooperation statt Verdrängung basiert.
Der Fernreisemarkt wächst global – und die Nachfrage nach günstigen, digitalen und klimafreundlichen Mobilitätslösungen steigt. Immer mehr Menschen verzichten bewusst aufs Auto und buchen online. Das senkt Kosten und verbessert die Planbarkeit. Wer dazu noch preislich attraktiv ist, wird auch in digitalen Suchmaschinen besser gefunden.
Deregulierung kann Wachstum schaffen. Wir haben ein bestehendes Ökosystem weiterentwickelt – nicht zerstört. Die oft bemühte „Disruption“ war bei uns keine Zerstörung, sondern eine kreative Verknüpfung bestehender Stärken. Daraus ist das größte Netzwerk für Ground Mobility entstanden – mit günstigen Preisen, smarten Verbindungen und starkem Wachstumspotenzial.
Ein zentraler Erfolgsfaktor ist Simplicity – das Prinzip der Vereinfachung. Es geht darum, Komplexität zu reduzieren, Unnötiges wegzulassen und auf das Wesentliche zu fokussieren.
Unsere Vision bleibt ambitioniert: Bis 2040 wollen wir in Europa CO₂-neutral sein. Das ist realistisch – wenn die politischen Rahmenbedingungen mitziehen. In anderen Märkten, wie etwa Indien, betreiben wir bereits heute die größte E-Bus-Flotte – dort sind die Voraussetzungen deutlich fortschrittlicher.

Zwischen Rezession und Reform: Wie die Bundesregierung Europas Wirtschaft stärken will
Die deutsche Wirtschaft schwächelt, Europa blickt besorgt auf seine industrielle Wettbewerbsfähigkeit – und die Bundesregierung steht unter Druck, das Wachstum wieder anzukurbeln. In einem kontroversen Streitgespräch, moderiert von Heike Göbel, diskutierten führende Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft über die Rolle Deutschlands in der europäischen Wirtschaftspolitik.
Mit dabei: Jens Spahn (CDU/CSU), Britta Haßelmann (Grüne), Armand Zorn (SPD), Christian Dürr (FDP) und Unternehmerin Sarna Röser. Sie alle eint die Sorge um den Standort Deutschland – doch ihre Einschätzungen, was konkret zu tun sei, könnten unterschiedlicher kaum sein.
Spahn: Wirtschaftswende und Steuersenkungen
Jens Spahn, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, fordert eine „Wirtschaftswende zurück zum Wachstum“. Als konkrete Maßnahmen kündigte er kurzfristig an: „30 Prozent Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen“, eine erste Körperschaftsteuersenkung seit zwei Jahrzehnten und ab 2026 deutlich gesenkte Energiekosten – inklusive Abschaffung der Gasumlage. Der Bürokratieabbau dürfe nicht länger nur auf dem Papier stehen: „Berichtspflichten und Bonpflicht müssen weg.“
Zorn: Reformen ja – aber strukturell denken
Armand Zorn, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion, zeigte sich offen für kurzfristige Impulse, warnte jedoch vor einem reinen „Investitionsbooster“: „Wir brauchen auch strukturelle Reformen.“ Zudem verwies er auf die Notwendigkeit einer stärkeren Fachkräftesicherung – und forderte eine europäisch abgestimmte Wirtschaftsstrategie.
Haßelmann: Investitionen gezielt und sozial gerecht
Britta Haßelmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen, mahnte zur Priorisierung öffentlicher Investitionen: „Transformation, Infrastruktur, Klimaschutz, Bildung – das sind unsere Zukunftsfelder.“ Pauschale Steuersenkungen kritisierte sie scharf, insbesondere mit Blick auf die Finanzierung auf kommunaler Ebene: „Lieblingsprojekte wie die Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie gehören nicht ins Investitionsprogramm.“
Dürr: Vertrauen stärken, Demografie ernst nehmen
FDP-Chef Christian Dürr lobte den geplanten Investitionsstart, warnte aber vor falschen Schwerpunkten: „Dauerhafte Subventionierung der Netzentgelte ist keine Investition.“ Für ihn steht fest: „Es geht um das große Ganze – Vertrauen in den Standort, Demografie, Bildung und wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen.“
Röser: Europa braucht wirtschaftliche Stärke
Unternehmerin Sarna Röser erinnerte daran, dass Deutschland sich im internationalen Wettbewerb behaupten müsse: „Der moralische Zeigefinger bringt uns nicht weiter – Freihandelsabkommen sind kein Luxus, sondern Voraussetzung für wirtschaftliche Stärke.“ Europa müsse strategischer und selbstbewusster auftreten.
Europa, USA, China – Strategien gegen Unsicherheit
Auch geopolitische Herausforderungen kamen zur Sprache. Jens Spahn warb für ein starkes Verhältnis zu den USA: „Unsere Sicherheit und unser Wohlstand hängen von den USA ab.“ Zugleich forderte er niedrigere Zölle – „0 Prozent auf alles“ – und eine klare europäische Haltung gegenüber China.
Haßelmann konterte mit einem Appell: „Die Antwort auf ‘America First’ kann nur ‘Europe United’ sein.“ Handelsabkommen müssten fair und transparent sein – nationale Alleingänge hätten in einer globalisierten Welt keinen Platz.
Fazit: Viel Einigkeit im Ziel – doch wenig ist auf dem Weg
Das Streitgespräch zeigte: Die Richtung – mehr Wachstum, mehr Investitionen, weniger Bürokratie – ist im politischen Berlin weitgehend Konsens. Doch die Mittel bleiben hoch umstritten. Zwischen Steuererleichterungen, strukturellem Umbau, sozialer Verantwortung und geopolitischen Herausforderungen steht die Bundesregierung vor einem wirtschaftspolitischen Spagat.
Die entscheidende Frage bleibt: Kann Deutschland gleichzeitig Investitionsmotor Europas sein und dabei die soziale Balance und ökologische Ziele wahren? Die Zeit für bloße Ankündigungen scheint jedenfalls vorbei.

Standort Europa
Panel-Diskussion: Den europäischen Wirtschaftsraum im Blick – Bewertung von Initiativen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft
In einer lebhaften Diskussion beleuchteten Marzena Czarnecka, EU-Ratspräsidentin, Industrieministerin und Ministerin für Energiesicherheit in Polen, Mark Böhm, CEO, Noventi Health SE, Andreas Mundt, Präsident, Bundeskartellamt und Peter Lochbihler, Global Head of Public Affairs, Booking.com, die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen Europas – insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten Wahlen in Polen und der geopolitischen Lage.
Prioritäten Europas – auf dem richtigen Weg?
Czarnecka sieht die politische Lage in Polen nach den Wahlen komplexer als zuvor, jedoch beherrschbar. Aus europäischer Perspektive spiegele sich darin ein allgemeiner Trend nach rechts wider. Trotzdem sei Europa prinzipiell auf dem richtigen Weg, es müsse aber wirtschaftlich wettbewerbsfähiger werden, um im globalen Kontext bestehen zu können. Die EU dürfe sich nicht nur auf sich selbst konzentrieren, sondern müsse auch geopolitisch mit Akteuren wie den USA, China und Russland mithalten. Besonders China werde zunehmend zur dominierenden wirtschaftlichen Kraft, während Russland potenziell wirtschaftlich stärker von China abhängig werde.
Czarnecka setzt auf die Empfehlungen in Mario Draghis Kompetenzkompass
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Bildung – Die beruflichen Ambitionen junger Menschen spiegeln oft mangelnden Realitätsbezug wider (90 % ihrer Studierenden möchten z. B. YouTuber werden).
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Finanzstruktur – Europa braucht ein Gleichgewicht zwischen Solidarität auf EU-Ebene und nationaler Eigenverantwortung.
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Wirtschaftliche Sicherheit – Unternehmen müssen stabile und verlässliche Rahmenbedingungen erhalten.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, ergänzt, dass zwar Fortschritte gemacht würden, diese aber zu langsam seien. Um Europas Wettbewerbsfähigkeit wirklich zu stärken, müssten tiefgreifende Reformen angestoßen werden – besonders in den Bereichen:
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Bildung und Infrastruktur
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Entbürokratisierung
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Digitale Souveränität
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Kapitalmarktunion
Energiepreise – eine zentrale Herausforderung
Ein weiteres großes Thema waren die hohen Energiepreise in der EU, die im Vergleich zu den USA etwa dreimal so hoch sind. Als mögliche Lösung sieht Czarnecka eine ausgewogene Mischung aus erneuerbaren Energien und Kernkraft. Frankreich zeige, dass amortisierte Atomkraftwerke aktuell die günstigste Energieform darstellen. Ohne staatliche Unterstützung werde die Energiewende wirtschaftlich nicht tragfähig sein – öffentliche Hilfen seien hier unerlässlich.
Die vollständige Diskussion können Sie hier sehen.

Interview – Live-Schaltung
Gerald Braunberger, Herausgeber F.A.Z., im Gespräch mit Dr. Markus Söder, Bayerischer Ministerpräsident (MdL, CSU)
Gerald Braunberger: Glauben Sie, dass sich das Verhältnis zwischen Europa und den Vereinigten Staaten verändern wird?
Markus Söder: Wir hoffen, dass wir die Lage gut in den Griff bekommen. Was wir tatsächlich erwarten können, ist aber das Unerwartete. Ich spüre, dass seitens der Amerikaner durchaus Interesse an uns besteht – auch an den Nationalstaaten. Gleichzeitig gibt es gegenüber der Europäischen Union eine große Reserviertheit. Das Konstrukt wird weder richtig verstanden noch gemocht. Deshalb ist es wichtig, dass alle Europäer, die in den USA sind, sich nicht auf einzelne Deals einlassen, sondern dafür sorgen, dass der gesamte europäische Aspekt gestärkt wird. Wir sollten uns nicht spalten oder gegeneinander ausspielen lassen.
Gerald Braunberger: Wenn wir uns die wirtschaftliche Lage in Europa anschauen: Wo müssen wir uns prioritär besonders anstrengen
Markus Söder: Das größte Hindernis ist die Bürokratie. Außerdem muss Energie stärker und günstiger produziert werden. Unsere Kosten sind gerade im Vergleich zu den Amerikanern viel zu hoch. Es muss mehr investiert werden – in Innovation, Forschung, Verteidigungstechnologie und Raumfahrt. Das sind Bereiche, in denen Europa seine Stärken ausbauen könnte. Wir müssen aus den vorhandenen Möglichkeiten viel mehr herausholen, was auch an den Rahmenbedingungen hängt.
Im Bereich Verteidigung braucht es neben Geld vor allem eine klare Struktur: Wohin soll investiert werden? Drohnen, Raketenabwehrsysteme, Hochpräzisionswaffen? Auch das Beschaffungswesen muss radikal entschlackt werden, mit langfristigen und verlässlichen Rahmenbedingungen.
Gerald Braunberger: Brauchen wir in Europa nicht eine viel stärkere Zusammenarbeit zwischen Regierungen und Unternehmen, damit diese auch mal gemeinsam bestellen? Ein Problem der Verteidigungsindustrie ist, dass kaum hohe Stückzahlen produziert werden, weil jeder Sonderwünsche hat.
Markus Söder: Da gibt es viele Rangeleien, und es muss klar definiert werden, wer was am besten kann und wo man am effektivsten produzieren sollte.
Gerald Braunberger: Sollten wir nicht privatwirtschaftliche Initiativen, wie sie es in den USA gibt, deutlich mehr unterstützen? Kann man hoffen, mit einem Rezept „à la Musk“ auch wieder wettbewerbsfähiger zu werden?
Markus Söder: Das sollten wir auf alle Fälle tun. Vor sechs Jahren habe ich bereits über die Raumfahrt gesprochen. Mittlerweile wurde viel Geld investiert, wir haben über 12 Milliarden Euro Umsatzvolumen und mehr als 500 Unternehmen – das funktioniert. Natürlich werden wir die Amerikaner nicht so schnell überholen, aber wir können uns annähern.
Im Umgang mit unseren amerikanischen Freunden sollten wir stets Klarheit und Wahrheit im Kopf behalten. Duckmäusertum wird nicht belohnt. Am Ende hilft nur eine gewisse Eigenstärke. Nur wer selbst stark ist, kann auch gemeinsam bestehen. Ich möchte nicht, dass Europa am Ende nur eine Art Disneyland wird, in das Amerikaner und Europäer reisen, um zu bewundern, wie schön das alte Europa war. Wo wir gut sind, müssen wir besser werden, und wo wir schlecht sind, müssen wir viel besser werden.
SAVE THE DATE 2026
Wir freuen uns sehr, die European Economic Conference #5 ankündigen zu können. Über das Programm und die Gäste werden wir Sie rechtzeitig informieren.
Wir danken der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und ihrem Herausgeber Gerald Braunberger, dem Team der F.A.Z.-Konferenzen und der ESMT für die erfolgreiche Konferenz 2024 und Zusammenarbeit.